So dachte bestimmt auch Jitzchak Melamed, Philosophieprofessor jüdischen Glaubens aus Baltimore, USA, der am 11. Juli 2018 von der Bonner Polizei schwer verprügelt wurde. Ohne ein "halt, stehen bleiben!", oder einen anderen Versuch der gewaltlosen Kontaktaufnahme, hatten vier Polizisten sich auf den (schmächtigen) Professor gestürzt und ihn schwer Verprügelt. Sie hatten ihn mit dem eigentlichen palästinensischen Aggressor verwechselt, der ungehindert fliehen konnte. (Hier die Darstellung Prof. Melameds)
Professor Melamed nach dem Angriff |
Auf der Wache entrüstete sich der Professor über die Misshandlung (verständlicherweise) und wollte sofort Anzeige gegen die Polizisten erstatten. Daraufhin drohten ihm die Beamten mit einer Gegenanzeige. Nach dem sich der Professor nicht einschüchtern ließ, behaupteten die Beamten also Prof. Melamed wäre gegenüber den vier anstürmenden (weit kräftigeren und bewaffneten ) Polizisten aggressiv geworden und hätte die Polizisten angegriffen. Eine Aussage die alle 4 Beamten bestätigten. (Siehe beispielsweise hier bei Stern.de.)
Die Anklage gegen Prof. Melamed wurde am Ende fallen gelassen, was aber wenn das Opfer ein unbekannter Migrant aus einem prekären Umfeld gewesen wäre?
Seit dem Gesetz zum Schutz der Polizeibeamten von 2017 können Angriffe auf Beamte schwer bestraft werden. Schon vor der Einführung des Gesetzes waren Motivation und Nutzen fraglich. Hier ein Interview dazu mit der Kriminologin und Ex-Polizistin Rita Steffesenn aus dem heute journal vom 8 Feb. 2017:
Wie schon in diesem Interview von Frau Steffesenn vermutet, führten die schärferen Gesetze nicht zu einer Abschreckung und verminderter Gewalt gegen Polizisten, sondern die Gewalt nahm also angeblich dieses Jahr weiter zu. Denken wir deshalb darüber nach das offensichtlich wirkungslose Gesetz zurückzunehmen? Natürlich nicht, im Gegenteil, nach weiteren Verschärfungen wird schon gerufen.#Gewalt gegen #Polizisten soll härter bestraft werden. Die Kriminologin & Ex-Polizistin Rita Steffesenn über die praktischen Auswirkungen: pic.twitter.com/G8opAoHKnN— ZDF heute journal (@heutejournal) February 8, 2017
Rückläufig sind dagegen die Anzeigen gegen Polizisten wegen Polizeigewalt und zu Verurteilungen kommt es so gut wie nie. Wie im Fall Melamed werden die Verfahren gegen die Polizei meist eingestellt. Anzeigen gegen Bürger wegen Gewalt gegen Beamte wird dagegen oft stattgegeben. Der offensichtliche Zusammenhang wird in einem Interview in der Süddeutschen von Kriminologe Tobias Singelnstein formuliert, Zitat:
"Ja, häufig stehen sich zwei Anzeigen gegenüber: Hier Körperverletzung im Amt, dort Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Wissenschaftlich ist noch nicht untersucht, was Aktion und was Reaktion ist. Wenn man aber hört, was Verteidiger und einzelne Polizisten berichten, dient der Vorwurf des Widerstands nicht selten dazu, polizeiliches Vorgehen zu rechtfertigen." (SZ: 05/2012)Wurde die "wachsende Gewalt gegen Polizisten" dann nicht möglicherweise hervorgerufen durch eine wachsende Gewaltbereitschaft der Polizei, die mit Gegenanzeigen die Opfer zum verstummen bringen will?
Ich vermute nicht, dass ich auf diese Frage eine Antwort erhalte. Statt dessen werden wahrscheinlich die Befugnisse der bayerischen Polizei noch ausgeweitet.
Siehe auch Spon (2018): Studie zu Gewalt im Amt
Zeit online: neue Studie von Prof Singelnstein