Montag, 26. November 2012

Was Ökonomen noch nie über Wachstum wissen wollten

... und auch nie zu Fragen getraut haben.

Dies ist ein Beitrag zur Blogparade des Wirtschaftswurms zum Thema Grenzen des Wachstums.

Wachstum ist ein positiv besetzter Begriff. Er trägt das Versprechen vom Grünen und Blühen in sich. Wachstum wird gleichgesetzt mit Wohlstand und Fortschritt. Kritiker des Wachstums befinden sich dadurch in einer schlechten Ausgangsposition um ihre Argumente vorzubringen. Hat uns nicht Wachstum all diese Errungenschaften unserer Zivilisation beschert, die unser Leben lebenswert machen? Wie kann ein Wachstumskritiker dies nur in Frage stellen?

Wer Wachstum kritisiert muss also eine Hürde des Missverständnisses überwinden bevor er überhaupt anfangen kann seine Argumente vorzubringen. Diese Einstiegshürde in die Diskussion verwehrt der Wachstumskritik den Zugang zur öffentlichen Meinung und die Meinungshoheit im öffentlichen Raum hat der Wachstumsjünger.

Wachstumskritiker sind „Untergangspropheten“ und „Schwarzseher“, ihre Ausführungen zeitraubend und mühsam. Das Buch „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome wurde von weit weniger Menschen gelesen als es angegriffen und kritisiert wurde.

Der Wachstumsjünger muss nicht erklären was er unter Wachstum versteht. In einer Diskussion wird niemals festgelegt für was der Begriff in seinen Augen steht. Das Wohlwollen des Zuhörers ist ihm von vorneherein sicher. Der Kritiker ist zu langen Ausführungen gezwungen bevor er überhaupt seine Argumente vorbringen kann.

Was wir Kritiker aber verlangen, ist, dass die unangenehmen Fragen gestellt werden die sich die Ökonomen oder Wirtschaftspolitiker offenbar nicht stellen wollen.

Von was für einem Wachstum sprechen wir überhaupt?
Wer profitiert vom Wachstum wirklich, leiden auch Menschen unter dem Wachstum?
Gibt es einen Preis des Wachstums und sind wir bereit ihn zu Bezahlen?
Wie funktioniert Wachstum aus der Sicht der Ökonomen, wo sind ihre blinden Flecken?

Diese Fragen sind meiner Meinung nach berechtigt und von ungeheurer Tragweite für unsere Gesellschaft.

Es gibt seit geraumer Zeit offenbar keinen Zusammenhang mehr zwischen gemessenen Wachstum und Wohlstandszuwachs in hochindustrialisierten Ländern wie Deutschland oder den USA.

Der Produktivitätszuwachs kommt seit über 20 Jahren nur noch wenigen zugute. Anscheinend kam es zu entscheidenden Änderungen seit dieser Zeit, die die Auswirkungen des Wachstums auf die Gesellschaft betreffen.

Die negativen Auswirkungen des Wachstums allerdings, müssen von allen getragen werden. Die Verursacher von Umweltschäden oder Klimaerwärmung sind schwer zu ermitteln und oft nicht mehr greifbar, die Auswirkungen bekommen alle zu spüren.

Im Namen des Wachstums sind wir bereit immer fragwürdigere Energiequellen anzuzapfen um den Energiehunger zu Stillen der aus dem Wachstum erfolgt. Fracking und Tiefsee-Ölplattformen verursachen stetig neue Rekorde der Umweltzerstörung, dennoch werden die Wachstumsversprechen der Wirtschaftsprognosen meist nicht erfüllt, die Profitprognosen der Ölindustrie aber durchaus.

Die Krisen der Finanzwelt, der der Löwenanteil an den Profiten des Wachstums der letzten Jahrzehnte zugute kam, konnten von den Ökonomen und Wachstumsjüngern nicht vorhergesagt werden. Die Kosten der Krise tragen genau die Steuerzahler und die Bezieher von Sozialleistungen, die bestimmt keine Vermögensgewinne in den letzten Jahren erzielt haben.

Einen Zusammenhang zwischen dem Wachstum und dem Vermögenszuwachs weniger sehr reicher Individuen ist dagegen durchaus zu erkennen. Sie sind es die offensichtlich Profitiert haben vom Wachstum der letzten Jahre.

Was also ist gemeint mit einer Politik die alles daransetzt neues Wachstum zu generieren?

Ist damit gemeint, dass wir weiterhin die Ressourcen unserer Erde verschwenden, damit einige wenige profitieren aber alle die langfristigen Kosten tragen müssen?

Ist damit gemeint, dass Ungerechtigkeit weiter wächst? Oder die Umweltzerstörung? Oder die Konten in Steueroasen?

Wachstumskritiker wollen diese Fragen klären bevor sie mit einer fertigen Politik im Namen des Wachstums konfrontiert werden.

Wachstum wurde in jüngster Vergangenheit gleichbedeutend mit Ausbeutung. Stellt man die Frage nach den Grenzen des Wachstums mit dem Begriff der hinter dem Wachstum verborgen ist, wird klar was Wachstumskritiker umtreibt.

Frage: Gibt es Grenzen der Ausbeutung?
Antwort: Ja, und hoffentlich haben wir diese bald erreicht!

Unendliches Wachstum/Ausbeutung klingt dann wie eine Drohung und nicht wie die Verheißung als die sie uns verkauft wurde.

Man stelle sich bei jeder Erwähnung des Wortes Wachstum an dessen Stelle das Wort Ausbeutung vor und plötzlich erlebt man Wirtschaftsminister Rösler ganz neu.

Ich habe in Rahmen dieses Blogs eine neue Definition vorgeschlagen die Wachstum so definiert, dass ich mit einer echten Wachstumspolitik einverstanden wäre. Ich würde gerne eine offene Diskussion mit Ökonomen über das Wachstum führen. Vielleicht fühlt sich ja irgendein Ökonom der den Wirtschaftswurm verfolgt dazu berufen sich diesen Fragen ehrlich zu stellen.