Freitag, 15. Januar 2010

Kulturmaterialismus und Wachstumsgrenzen

Der erste Teil diese Artikels ist im wesentlichen eine Zusammenfassung der Grundlagen des Kulturmaterialismus (aus Cultural Anthropology; Marvin Harris, Orna Jhonson, 7. edition 2007).

Um eine tragfähige Herangehensweise an die Bestimmung soziokultureller Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu schaffen untersucht der Kulturmaterialismus die Produktionsmittel (Modes of Production) die einer Kultur zur Verfügung stehen. Im Wesentlichen werden dabei die Formen der Nahrungsproduktion die eine Kultur entwickelt hat untersucht.

Grundlage der Größenbestimmung der Produktion ist das Verhältnis der eingesetzten Energie (in Kalorien) zur produzierten Energie. Die Spannweite der eingesetzten Energie kann von Menschlicher Arbeitskraft bis hin zu Kernenergie reichen.

Keine Gesellschaft kann ohne die Umwandlung der Energie ihres Ökosystems in die Produktion von Gütern und Dienstleistungen existieren.

Von Menschen bewohnte Ökosysteme befinden sich dabei in einem labilen Gleichgewicht und tendieren dazu sich träge gegenüber Veränderungen zu verhalten. Dennoch treten Veränderungen auf. Beispiele sind:

Klimatische Veränderungen
Veränderungen der eingesetzten Technologien zur Produktion und Energiegewinnung
Veränderungen in der Sozialen Organisation einer Gesellschaft
...

Das Maximum der für ein von Menschen bewohntes Ökosystem produzierten Energiemenge und damit der Population in Abhängigkeit der Umweltbedingungen, eingesetzen Technologien und gesellschaftlichen Organisation OHNE die Resourcen auszubeuten nennt man Tragfähigkeit.

Die Produktionsmenge ab deren Überschreiten die Produktion pro eingesetzter Energieeinheit abfällt nennt man den Punkt der nachlassenden Erträge. (point of diminishing returns).

Dieser liegt unterhalb der Tragfähigkeit. Für eine gewisse Zeit kann man die Produktionsmenge durch Intensivierung beibehalten auch wenn der Ertrag höheren Einsatz fordert.

Liebigs Gesetz vom Minimum ist in der Berechnung der Produktion dabei bestimmend. Die obere Grenze der Produktion wird immer durch die Resource bestimmt die am geringsten Verfügbar ist.

Nach Malthus Gesetz ist aber die Entwicklung einer Population immer schneller als die Entwicklung der Produktionsmenge. Dies führt unweigerlich zur Bevölkerungsfalle. Gemeint ist damit, dass jede Gesellschaft irgendwann die Grenzen der Tragfähigkeit ihres Ökosystems überschreitet.

Wenn die Menschen an die Grenzen der nachhaltigen Produktion stoßen neigen Sie dazu auf diesem Umstand mit Intensivierung der Produktion zu reagieren. Eine Intensivierung führt jedoch letzendlich immer zur Überschreitung der Tragfähigkeit und zu einer Ausbeutung der Natürlichen Ressourcen.

Die Bevölkerungsfalle hat die kulturelle Evolution des Menschen über Jahrtausende bestimmt. Jäger und Sammler, die um die wachsende Bevölkerung zu ernähren, das Wild in ihrem Lebensraum dezimiert haben, mussten entweder verhungern, langfristig ihre Reproduktionsrate der des Jagdwildes anpassen oder neue Formen von Nahrungsproduktion entwickeln usw ….

Platon beschreibt hier sehr bildhaft zu welchen Veränderungen die Intensivierung der Produktion im alten Griechenland führte:

Das ganze Land (Attika) erstreckt sich ja vom übrigen Festlande weg wie ein Vorgebirge weit ins Meer hinaus und das Meeresbecken ringsum fällt nahe der Küsten in große Tiefen ab ...
Wie man das bei den kleinen Inseln sehen kann, ist also, wenn man den heutigen Zustand mit dem damaligen vergleicht, gleichsam nur noch das Knochengerüst eines Leibes übrig, der von einer Krankheit verzehrt wurde. Ringsum ist aller fette und weiche Boden weggeschwemmt worden und nur das magere Gerippe des Landes übrig geblieben.
Aber damals war dieses Land noch unversehrt, mit hohen, von Erde bedeckten Bergen, und die Ebenen, die man heute als rau und steinig bezeichnet, hatten fetten Boden in reichem Maße, und auf den Höhen gab es weite Wälder, von denen heute noch deutliche Spuren sichtbar sind.
Einige von diesen Bergen bieten jetzt einzig den Bienen noch Nahrung; es ist aber gar nicht so lange her, da waren von den großen Häusern, für deren Bedachung man dort die Bäume gefällt hatte, die Dächer noch wohl erhalten. Und auch sonst trug das Land hohe Fruchtbäume in großer Zahl und den Herden bot es unbeschreiblich reiche Weideplätze. Und vor allem bekam es von Zeus jedes Jahr sein Wasser, und dieses ging nicht wie heute verloren, wo es aus dem kärglichen Boden ins Meer fließt, sondern weil das Land reichlich Ernte hatte und das Wasser damit auftrank und es in dem lehmhaltigen Boden bewahrte ...
Platon. Kritias (III a-e), nach: Smog über Attika, Umweltverhalten im Altertum, Zürich 1990, S. 20 f.


Die Industriegesellschaft scheint die Bevölkerungsfalle überwunden zu haben. So zumindest möchten uns manche Sozialwissenschaftler glauben machen. (siehe z.B. hier).

Die Wahrheit ist aber, dass wir unsere Nahrungsmittelproduktion (und auch die aller anderen bestimmenden Güter wie Kleidung, Mobilität, Behausung und Heizung) von der Ausbeutung des Erdöls (und anderer fossiler Brennstoffe) abhängig gemacht haben. Den wenigsten ist klar wie sehr unsere Ernährung vom Erdöl abhängig ist. Eine nachhaltige Alternative zum Haber Bosch verfahren (Grundlage der Düngemittelproduktion) wurde bis heute nicht umgesetzt. Auch ist die Industrialisierung der Landwirtschaft so weit fortgeschritten, dass pro Kopf in den USA 400 Gallonen Erdöl für die Feldarbeit pro US Bürger verbraucht werden. Das sind allein in den USA 17% des Treibstoffverbrauchs.

Das Global Footprint Network hat festgestellt, dass wir die Tragfähigkeit unserer Erde schon in den 80er Jahren überschritten haben. Heute verbrauchen wir 30% mehr als unsere Erde erneuerbar liefern kann. Mit dem Ausbleiben des Erdöls wird dieses Goldene Zeitalter des Menschen ein Ende haben.

Malthus Theorie ist auch eine Inspiration für Charles Darwins Evolutionstheorien gewesen. Die „Menschenwissenschaften“ Ethnologie, Anthropologie und Soziobiologie machen keinen Unterschied zwischen der genetischen und gesellschaftlichen Entwicklung des Menschen.

Malthus Bevölkerungsfalle könnte man auch Evolutionsdruck nennen. Mit dem Ausbleiben des Erdöls wird uns diese Realität der Evolution mit schnellen Füßen einholen. In der Dokumentation „age of stupid (BBC)“ wird behauptet, dass wir mit den im Moment zur Verfügung stehenden Mitteln, ohne Erdöl nicht mehr als zwei Milliarden Menschen ernähren können.

Zu glauben, dass marktwirtschaftliche Mechanismen uns vor einer solch gewaltigen Umwälzung unserer Gesellschaft retten könnten ist diese Realität der Wissenschaft zu verleugnen. Auch unsere Politik kann auf Umwälzungen dieser Größenordnung nicht proaktiv tätig werden. Denn umgekehrt gilt auch das Axiom, dass ohne einen Evolutionsdruck eine Gesellschaft sich nicht ändern wird.

Am Ende jedoch steht immer die Anpassung an die neuen Lebensbedingungen, egal wie gewaltig die Schmerzen der Umwälzung auch sind. Die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft ist nicht optional. Das Ende der Erdölförderung wird sicher kommen, der Höhepunkt ist schon überschritten. Der Mensch ist eben nicht stärker als die Natur sondern nur arroganter.

Links:
Nachruf auf Marvin Harris
Marvin Harris Cultural Anthropology

Hier weiterlesen zu Wachstum
Hier weiterlesen zu Peak Oil und Gesetz von Liebig

Wissenschaftstheorie und Klimaskepsis

Diskussionen über den Klimawandel treiben mich häufig zur Verzweiflung. Sowohl in den Medien als auch in meinem privatem Umfeld begegnen mir oft Sätze wie: "Ich glaube nicht an den Klimawandel!" oder "Das ist doch gar nicht bewiesen!".

Das eklatante Unwissen über Wissenschaft, das in solchen Sätzen zutage tritt, ist für mich bestürzend. Deshalb hier ein kurze Abhandlung über Wissenschaftstheorie.

Ich will hier Wissenschaftstheorie in einfachen kurzen Sätzen und ohne Philosophischen Firlefanz aufzeigen. Hier also die Grundlagen des Wissenschaftsbegriffs in (meinen eigenen) Stichpunkten:


Wissenschaft ist eine Anleitung zum Erkenntnisgewinn!

Um Wissen zu erlangen ist es nötig nachvollziehbare Beobachtungen zu machen und diese zu Dokumentieren.

Aus diesen nachvollziehbaren Beobachtung (z.B. Versuchen) und seinem Vorwissen entwickelt eine Wissenschaftlerin (oder eine Gruppe von Wissenschaftlern) eine Theorie.

Eine (gute) Theorie beschreibt die Beobachtungen und ist zudem in der Lage Vorhersagen für weitere aus der Theorie folgende Beobachtungen zu machen und neue Erkenntnisse zu ermöglichen.

Die Wissenschaftlerin versucht sodann Widersprüche in ihrer Theorie zu entdecken in dem sie z.B. die Vorhersagen ihrer Theorie mit weiteren Beobachtungen zu wiederlegen versucht.

Ist eine Wissenschaftlerin der Meinung, dass ihre Theorie den Versuchen sie zu widerlegen widersteht, veröffentlicht sie diese Theorie, damit weitere Wissenschaftler ihr bestes geben können um die Theorie zu widerlegen.

Findet sich ein Wiederspruch zu der Theorie wird versucht herauszufinden ob dieser die Theorie umwirft.

Das muss nicht unbedingt so sein. Um so besser eine Theorie bisher den Versuchen sie zu einem Widerspruch zu führen widerstanden hat um so mehr wird man versuchen diesen Widerspruch zu klären. Aus diesen Versuchen kann viel neuer Erkenntnisgewinn entstehen.

Beispiel: Eine Theorie besagt: Alle Schwäne sind weiß. Ein Forscher reist irgendwann nach Südafrika und trifft dort auf schwarze Schwäne. Dies wirft vielerlei Fragen auf. Sind diese Vögel Schwäne? Muss ich meine Theorie anpassen (z.B. Europäische Schwäne sind weiß). Oder muss ich sie einfach ganz fallen lassen?

Beispiel: Die Newtonsche Mechanik beschreibt die Bewegung von Körpern unserer direkten Erfahrung nach vollkommen korrekt. Die Taumelbewegung des Planeten Merkur jedoch ist nicht mit der Newtonschen Mechanik erklärbar. Ist deswegen die Theorie schlecht? Nein, sie versagt nur bei bestimmten Randbedingungen wie hoher Geschwindigkeit. Hier reicht die Newtonsche Mechanik zur Beschreibung also nicht mehr aus. Sie wird erweitert durch die Relativitätstheorie.

Die Relativitätstheorie ist genauer als die Newtonsche Mechanik aber die Vorhersagen beider Theorien über sich bewegende Objekte sind identisch wenn keine relativistischen Geschwindigkeiten (oder Massen) vorliegen!

Die Newtonsche Theorie der Mechanik ist also eine ausgezeichnete OBWOHL SIE NICHT NUR NICHT BEWIESEN IST SONDERN SOGAR WIEDERLEGT IST. Die Vorhersage, dass ein Ziegelstein aber wieder runterkommt wenn ich ihn nach oben werfe trifft jedoch auch ohne Beweis oft genug ein um ihm besser aus dem Weg zu gehen wenn man unter ihm steht.


Die Theorie die am besten Beobachtungen beschreibt, gute Vorhersagen trifft und sich am wenigsten widerlegen lässt wird zur akzeptiertesten Theorie um die von ihr beschriebenen Zusammenhänge zu Begreifen da Sie uns den größten Erkenntnisgewinn verspricht!

Man beachte folgendes.


In der Wissenschaft gibt es kein Glauben immer nur ein Zweifeln.
In der Wissenschaft gibt es keinen Beweis, höchstens einen Widerspruch
.

Was bedeuten nun die oben genannten Sätze "Das ist doch gar nicht bewiesen!" oder "Ich Glaube nicht an den Klimawandel!" in einem Wissenschaftlichen Sinn?

Die Theorie vom anthropogenen Klimawandel und die aus dieser Theorie von zahlreichen Wissenschaftlern entwickelten Modellrechnungen beschreiben die momentanen Beobachtungen besser als alle anderen Theorien. Da man diese Theorie über den anthropogenen Klimawandel schon eine Weile zu widerlegen versucht, kann man nun Feststellen, dass die aus den Modellen gemachten Vorhersagen der Beobachteten Entwicklung näher kommen als andere Theorien (Falls diese überhaupt Vorhersagen zulassen).

Die Theorie vom anthropogenen Klimawandel ist also DIE BESTE DIE WIR HABEN!

Man kann natürlich nun hergehen und sagen ich glaube nicht daran. Wenn man aber keine eigenen Beobachtungen hat die die Theorie widerlegen, interessiert dies niemanden und man sollte vielleicht besser den Mund halten.

Die Theorie, dass Tollwut zum Tode führt gilt als ziemlich anerkannt auch wenn tatsächlich eine kleine Zahl von Patienten überlebt. (*)

Manch ein Patient könnte angesichts einer so furchtbaren Diagnose eine Verweigerungshaltung einnehmen. Tatsächlich kann die Medizin (Wissenschaft) ihm nicht Beweisen das er bald sterben wird. Sie können ihm die Viren zeigen, sie können ihm auch frühere Fälle nennen. Nichts davon ist aber ein Beweis für seinen bevorstehenden Tod. Es gibt definitiv keinen Beweis dafür das er sterben wird.

Auch wenn er nicht daran glaubt und auch wenn er keine Beweise geliefert bekommen kann wird er höchst Wahrscheinlich an dieser Krankheit innerhalb weniger Tage zugrunde gehen. Ist leider so.

Er könnte sich aber auch vorher Impfen lassen. Da muss man aber auch nicht daran glauben und auch da gibt es leider keinen Beweis. Dennoch überleben fast alle die sich rechtzeitig Impfen lassen.

Was ich damit sagen will ist folgendes: Die Wissenschaftstheorie ist womöglich die größte Errungenschaft des Menschlichen Geistes. Eine Verweigerungshaltung gegenüber Wissenschaft schützt uns nicht vor den Auswirkungen der Ereignisse unserer Umwelt die die Wissenschaft versucht so gut wie möglich zu beschreiben.

Die Wissenschaft hat den Klimawandel nicht gemacht. Wir sollten aber die von der Wissenschaft gemachten Vorhersagen ernst nehmen. Eine bessere Erkenntnistheorie haben wir nicht. Auch wenn das was ich hier beschreibe, natürlich ein Idealbild der Wissenschaft ist, das leider von der Realität manchmal abweicht.

Gerade beim Beispiel Klimaforschung gab es leider Einflussnahme von Interessengruppen auf die Ergebnisse der Forschung. Diese Einflussnahme ist wohl in beide Richtungen vorgefallen.

Vor allem hat man hier versucht Erkenntnis und Wahrheitsfindung mit PR-Kampagnen zu bekämpfen und großen Erfolg gehabt. Man hat Argumente ins Feld geführt die in der Wissenschaft keine Bedeutung haben aber dem Unbedarften überzeugend erscheinen. Genau solche Argumente wie: "Es gibt keinen Beweis für den anthropogenen Klimawandel!". Diese Argumente unterbinden jetzt jede fruchtbare Diskussion (und machen mich, gelinde gesagt, etwas verstimmt).

Dabei hat man gleichzeitig aber noch etwas viel schlimmeres getan. Die beste Methode die wir Menschen haben um uns Wissen über unsere Umwelt anzueignen und Wahrheit von Lüge zu unterscheiden wurde in Misskredit gebracht. Misstrauen, Zynismus, Aberglaube und Fanatismus bestimmen die öffentlichen Debatten weit mehr als der Geist der Wissenschaft.

Das ist gerade heute, da wir vor unglaublichen Herausforderungen stehen, höchst beunruhigend und falls wir uns diese Entwicklung nicht entgegenstemmen werden die Entscheidungen diesen Herausforderungen zu begegnen von Massenbeeinflussung und Fanatismus bestimmt. Das hört sich bekannt an. Nur wenn wir uns dem entgegenstellen können wir einen Rückfall in die Barbarei verhindern, wie auch immer ihre neue Form aussehen mag.

(*) Die verschieden ausgeprägte Tollwut wird von Viren der Gattung Lyssaviren aus der Familie der Rhabdoviridae verursacht. (So die Beobachtung). Die Sterblichkeit liegt bei jenseits der 99%!

Wer also von einem Tollwütigen Tier gebissen wird könnte sich infizieren (Möglicherweise) und an (einer der bekannten Formen) der Tollwut (mit hoher Wahrscheinlichkeit) Sterben.

Zur Verabreichung der Impfung reicht der Verdacht. Ist der Beweis der Infektion erbracht ist es für eine Impfung zu spät.

Ob die Impfung wirkt hängt davon ab ob der Erreger einer der bekannten Formen der Rhabdoviridae ist.

Die Impfung entspringt also folgenden Theorien.
* Bei Kontakt mit einem Tollwütigen Tier besteht die Wahrscheinlcihkeit einer Übertragung des Virus und damit einer Infektion.
* Dieser Virus entstammt mit hoher Wahrscheinlichkeit einer bisher bekannten Viruspopulation.
* Durch vorbeugende Impfung kann mit einer hohen Wahrscheinlichket der sonst mit hoher Wahrscheinlickeit tödliche Krankheitsverlauf verhindert werde.

Soweit die Theorie. Wie sind also folgende Aussagen zu bewerten?
"Ich glaube nicht, dass ich die Tollwut habe! Beweisen Sie es mir!"
"Ich glaube nicht, dass eine Impfung hilft! Beweisen Sie mir das!"
"Ich glaube nicht, dass ich an´der Tollwut sterben werde! Beweisen Sie mir das!"

Der Blick aus der Ferne

Um seinen eigenen Standpunkt zu kennen ist es hilfreich sich einen Überblick zu verschaffen. Um so weiter man sich über die Dinge erhebt um so eher ist man in der Lage sich selbst im Verhältnis zur eigenen Umwelt zu setzen. Die eigene Wahrnehmung reicht jedoch schon lange nicht mehr aus um die vernetzten Zusammenhänge zu erkennen die unsere Lebenssituation bestimmen.

Als Mensch ist man Teil einer verzahnten Welt geworden. Ereignisse am anderen Ende des Erdballes können fundamentale Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben. Die Perspektive die uns unsere globale Welt also aufzwingt ist die des Raumfahrers, des Außerirdischen der herabblickt auf unsere zerbrechliche blaue Kugel. Nur von außen betrachtet kann unser Verstand überhaupt noch beginnen zu begreifen wo in der unendlichen Weite von Zeit und Raum er sich befindet.

Um diesen Standpunkt des Außerirdischen einzunehmen muss man sich den Einflüssen der direkten Umgebung so weit wie möglich entziehen. Eine Unbefangenheit wie man sie vielleicht einmal als Kind hatte ist Voraussetzung dafür die Dinge klar zu sehen. Zum Glück gibt es eine Denkschule die uns erlaubt diesen Standpunkt einzunehmen: die Wissenschaft.

Ich spreche hier von der Wissenschaft als Ideal wie sie seit Francis Bacon existiert. Die Wissenschaft als Gegenteil von Fanatismus und Aberglaube. Die Wissenschaft als Möglichkeit eine Beschreibung unserer Wirklichkeit zu verfassen die über die Grenzen von Zeit, kulturellem Umfeld und Gesellschaftlicher Position verständlich ist.

Die Wissenschaft ist eine Methode Wissen zu erlangen, die es uns erlaubt hat, uns über uns selbst zu erheben. Es gibt eine Wissenschaft die sich in besonderem Maße in die Position des außerirdischen Beobachters begeben hat, die Anthropologie.

Die Beschäftigung mit dem Wesen des Menschen zwingt Forscher dieser Disziplin zu einer strengen Definition ihres eigenen Standpunktes. Insofern muss der Anthropologe der sich mit der menschlichen Gesellschaft auseinandersetzt sich zuallererst mit seiner wissenschaftlichen Methode befassen. Wir müssen uns also mit dem Denken über das Denken befassen bevor wir unsere Augen öffnen und beurteilen was wir sehen. Dies ist die grundsätzliche Lehre die wir aus den Werken der "Menschenwissenschaftler" ziehen können.

Die in diesem Blog bevorzugte Sichtweise ist die des Kulturmaterialismus (Cultural Materialism) nach Marvin Harris, da er derjenige ist, der eine ökologische Sichtweise zu einer Theorie über den Wandel von Kultur machte,