Mittwoch, 6. April 2011

Der Blick aus der Ferne in Kürze

Juli 2017:

Seit dieser Post enstanden ist sind einige Jahre vergangen. Auch wenn ich immer noch hinter diesem Artikel stehe beschreibt er nur noch sehr oberflächlich die Themenvielfalt dieses Blogs. Inzwischen gibt es eine Unzahl (im allgemeinen Diskurs ignorierter) Veröffentlichung zu diesem Thema die ich meinen Besuchern ans Herz legen möchte. Der Club of Rome hat mit "2052" (Jorgen Randers 2012), "Der geplünderte Planet" (Ugo Bardi 2013), "1% ist Genug" (Graeme Maxton, Jorgen Randers 2016) einige Bücher vorgelegt die die Probleme eines nicht nachhaltigen Wirtschaftssystems ausführlich untersuchen, wie ich es ebenfalls bisher immer versucht habe verknüpft der CoR seit neuesten auch soziale Themen mit der Fragestellung der Ressourcenverfügbarkeit. Die Frage die mich aber seither vor allem beschäftigt ist, warum nicht nur nicht gehandelt wird, sondern warum sogar eine Diskussion völlig verweigert wird. Nach wie vor spielen im Bewusstsein der Menschen der zukünftige Kollaps und seine Ursachen keine Rolle und es gibt keine Partei die sich diesem Thema annimmt. (Auch die Grünen nicht, deren zentrales Thema die Emissionen sind und nicht die Ressourcen und die daher in ihrer Mehrheit für "grünes Wachstum" eintreten). Daher sind im weiteren Verlauf Texte über soziologische, kulturanthropologische oder politische Themen zu finden die meine Suche nach einer schlüssigen Antwort auf diese Frage dokumentieren oder mögliche Alternativen zu unserem Geldsystem oder Wirtschaftssystem Diskutieren.

Ich möchte mit diesem Post neuen Lesern den Einstieg in meine Texte etwas vereinfachen. Hier also so etwas wie der rote Faden durch die bisherigen Posts.

Im bisherigen Verlauf diese Blogs habe ich die Grenzen des Wachstums aus Sicht des Kulturmaterialismus vorgestellt. Der Kulturmaterialismus ist eine Wissenschaftstheorie die von Marvin Harris entwickelt wurde. Der Kulturmaterialismus stützt sich auf den Begriff der Tragfähigkeit der als Energieeinheit definiert wird.

Begründet auf diesen Tragfähigkeitsbegriff habe ich einen neuen Wachstumsbegriff vorgeschlagen. Er soll, als Maßstab politischen handelns, den bisherigen Begriff des Wachstums als BIP Zuwachs ersetzen.

Der BIP Zuwachs ist als Wachstumsbegriff für die Gesellschaft von weit geringerem Wert als ihm von den Volkswirtschaftlern zugewiesen wird. (Siehe dazu mein Post: Wachstum revisited 01)

Ein Wachstum des BIP dient heute allein der Akkumulation der Vermögen und nicht dem Gemeinwohl. (Dazu wird an anderer Stelle viel geschrieben, ich empfehle z.B.: die Ausführungen von Hagen Genreith).

Dieser Wachstumsbegriff und das resultierende wirtschaftliche Handeln führt letzen endes dazu, dass unsere Gesellschaft in ihrer Überlebensfähigkeit auf dem Spiel steht. Das Beispiel von Fukushima führt uns dies drastisch vor Augen.

Die Prognose der IEA, (siehe mein Post Ressourcenkrise) gibt uns nur noch einige Jahre Zeit, in denen wir uns auf eine Zeit ohne Erdöl vorbereiten können. Die Anstrengungen die wir im Moment unternehmen bereiten uns nicht auf die Ressourcenkrise vor. Die jetzt als Folge von Fukushima angedachte Umstellung auf nachhaltige Stromerzeugung ist ein erster Schritt, führt aber nicht annähernd weit genug.

Um es hier noch einmal deutlich zu sagen:

Wenn wir nicht Nachhaltigkeit SOFORT und ENTSCHIEDEN umsetzen, werden Menschen
(auch) bei uns in Deutschland (ver-)hungern und wahrscheinlich werden Aufstände, Radikalismus und Terror herrschen.

Unsere Abhängigkeit von Fossilen Brennstoffen ist gewaltig:


Abb: Anteil der Energieträger am Gesamtenergieverbrauch 2008, Sonstige u.a. Brennholz, Brenntorf, Klärschlamm, Müll, sonstige Gase, Quelle: BMWi

Wie auf dieser Abbildung zu erkennen stammte unsere Energie (2008) zu 80% aus nicht erneuerbaren Energiequellen. Die 35% Mineralöl werden uns innerhalb der nächsten 10 - 20 Jahre abhanden kommen bzw. sehr teuer werden.

Diese 35% Erdölanteil erscheinen auf den ersten Blick nicht als unüberwindliches Hinderniss. Wenn wir uns vor Augen führen, für was wir das Erdöl benötigen, wird klarer wie es um unsere Abhängigkeit von Erdöl bestellt ist:

Abb:Verwendung von Mineralöl, Stand 2007

1% der Weltweit verbrauchten Energie wird allein für das Haber Bosch Verfahren benötigt (Stickstoffproduktion). Dies sind ausschliesslich fossile Brennstoffe, vor allem Erdgas (Wasserstofferzeugung). Der gewonnene Stickstoff wird größtenteils in der Düngemittelproduktion eingesetzt. Dazu kommen in der herkömmlichen Landwirtschaft die Pestizide, Herbizide usw. die ebenfalls hohe Primärenergiekosten haben.

Bei der Landwirtschaft, wie bei allen anderen produzierten Gütern, kommt die Verarbeitung, die Verpackung und der Transport hinzu. Allesamt ebenfalls weitestgehend noch Erdölabhängig. Ohne Erdöl kann also unsere bisherige Nahrungsmittelproduktion unseren Bedarf nicht mehr decken. So wie die Nahrung sind auch Heizung und Mobilität fast ausschliesslich Erdölabhängig.

Anstatt weiter blind auf den Abgrund zuzusteuern könnte uns die Tragfähigkeit eine Navigationshilfe sein, die es uns vielleicht erlaubt den Absturz zu vermeiden.

Meine Grundüberzeugung ist, dass der im Moment vorherrschende Kapitalismus nicht mit Nachhaltigkeit zu Vereinbaren ist.

In Kürze kann man das in den Worten von Kenneth Boulding zusammenfassen:

“Anyone who believes exponential growth can go on forever in a finite world is either a madman or an economist.”
Deshalb ist mit einer Ausrichtung auf Nachhaltigkeit ein Umbruch unseres Wirtschaftssystems verbunden. Ziel eines Wirtschaftssystems soll eine effektive Verteilung der Güter sein bei der das Gemeinwohl über den Interessen des Einzelnen steht.

Um unsere Gesellschaft neu Auszurichten, müssen wir uns von den Maßstäben politischen Handelns des 20Jh trennen. Der politische Diskurs steckt in einer Sackgasse. Siehe dazu meinen post zu Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung.

Der Weg in eine neue Gesellschaft muss sich auf die größte Erungenschaft der menschlichen Denkfähigkeit begründen, den Idealen, die in der Wissenschaftstheorie beschrieben werden.

Eine Gesellschaft die sich von dem Zwang zu Profit und ständiger Konkurrenz befreit, befreit sich von Gier, Neid und Hass. Eine Erneuerung unseres Wirtschaftssystem kann nur ein Gewinn für uns sein.

2 Kommentare:

  1. Ich habe diesen und andere Artikel Ihres Blogs gelesen. Sehr interessant und regt zum Nachdenken an. Mein Standpunkt ist, dass man immer einer Meinung sein sollte, selbst wenn das bedeutet, dass man der gemeinsamen Meinung ist, nicht die gleiche Meinung haben zu können.

    Wenn Sie meine Denke besser verstehen wollen, dann empfehle ich einerseits meinen Artikel "Two views on America" und, vor allem, mein Essay über "The unintended Consequences of the Welfare State" (10 Posts).

    http://kleingut-reflections.blogspot.com/2011/08/two-views-on-america-george-f-will.html

    http://tinstaafl-kleingut.blogspot.com/2011/07/prologue.html

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  2. Hallo Herr Kastner,

    ich habe ihre Ausführungen gelesen. Wie sie ja schon wissen bin ich weder ein Freund von einer Überregulierung durch den "Staat" noch vom "Kapitalismus" sondern ein libertärer Sozialist und halte die Verteilung nicht für eine moralische Leistung oder Wohlfahrt (allein der Begriff unterstellt gnädiges überlassen von Produktionsüberschüssen an sozialschmarotzer).

    Ich halte die möglichst gleiche Verteilung von produzierten Gütern an alle als den Sinn und Zweck eines Wirtschaftssystems und die Unterstützung schwächerer als das Wesen von Gesellschaft, ja der grundlegenden Eigenschft des Menschen als soziales Wesen.

    Ihr Post über den "Wohlfahrtsstaat" den ich daher aus vollkommen anderen Gründen ablehne wie Sie könnte also nicht ferner von meiner Position sein.

    Allein der Absatz:

    "This paper argues that the most undesirable (and possibly the most unintended) consequence of the Welfare-State-Mentality is the deterioration in quality of the society."

    löst bei mir Würgereflexe vor Übelkeit aus.

    Hier steht die Prämisse im Vordergrund, dass der erfolgreiche Kapitlaist nicht Schädling sondern Wohltäter (Leistungsträger) der Gesellschaft ist und der Hartz4 Empfänger ein Sozialschmarotzer der sich auf dem sanften Bett der Sozialleistungen einen faulen Lenz macht.

    Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Leitworte unserer Gesellschaft, werden von mir gänzlich anders interpretiert als von Ihnen.

    Es liegt mir eben nichts daran in einem hungernden einen für echte Leistung besser motivierten zu sehen und dies auch noch als "Verbesserung der Qualität der Gesellschaft" zu sehen. Nein, tut mir Leid ich fürchte wir kommen da nicht zusammen.

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