Montag, 11. April 2011

Der Reichtum und ich

Das Buffet ist reich gedeckt, genug für all die Gäste die in einer langen Schlange darauf warten sich zu bedienen. Vor mit in der Reihe jedoch steht der Reichtum. Sein Teller quillt über mit den feinsten Delikatessen, gesichtslose Helfer des Reichtums tragen Schüsseln für ihn vom Buffet fort.

Nachdem ich eine weile geduldig zugesehen habe sage ich höflich:
“Ich finde du hast Genug!“.

“Was ich mir nehme habe ich mir verdient!” Sagt der Reichtum.
“Aus deiner Kritik spricht doch nur der Neid und die Missgunst.”

“Neid?” Frage ich.

“Du wirst dich nicht an mich erinnern, aber wir kennen uns, du und ich.”
“Erinnerst du dich, damals, vor 20 Jahren, als wir uns zum ersten mal begegnet sind?

Ich hab mir mein Studium und die Miete für das 12 m2 Zimmer in einer Wohngemeinschaft beim Studentenservice verdient. Damals bin ich einmal bei dir zu Hause gewesen, In der luxusrenovierten 6 Zimmer Altbauwohnung im Lehel mit Blick auf die Isar. Dort hast du alleine gewohnt. Damals hab ich deine Umzugskisten geschleppt, in dein neues, größeres, schwabinger, 8 Zimmer Appartment. Wie bewohnt man eigentlich alleine 8 Zimmer?
Wie waren die 6 Zimmer alleine zu klein geworden?

Beide Wohnungen befanden sich im obersten Stockwerk, ohne Aufzug versteht sich. Du hattest dir eine hübsche Bibliothek einrichten lassen und die 100 Umzugskisten bis oben hin mit deinen ledergebundenen Wälzern vollgepackt, ausgesucht von deiner Innenarchitektin nach der Prägung der Buchrücken nehme ich an. Du konntest es ja nicht wissen, dass eine Kiste dann 50 - 60 Kilo wiegt. Du hast ja noch nie selber mit angepackt.

Ich war kurz vorher umgezogen. Meine Freunde waren gekommen um mir zu helfen. Ich hab keine alten Erbstücke aus massiver Eiche und keine Bibliothek mit ledergebundenen Büchern. Mein Umzug hat 3-4 Stunden gedauert. Danach saßen wir in meiner neuen WG zusammen und haben zusammen gegessen, getrunken und geredet. Wir wohnten in 6 Zimmern zu fünft und es war reichlich Platz.

Du warst alleine mit deinem Umzug. Wo waren denn deine Freunde? Hast du auch Freunde oder hast du nur nützliche Kontakte? An dem Tag zumindest hattest du nur uns Umzugshelfer vom Studentenservice, wir waren nur zu viert und schufteten bis in die Nacht. Jeweils zwei von uns haben abwechselnd einem eine 50 Kilo Kiste auf den Rücken gehoben. Mit gebeugten Rücken hat der dann die Kiste geschleppt. Bevor ich dir begegnet bin musste ich mich nie so viel bücken. Danach hast du uns bezahlt. Für den ganzen Tag so viel wie du wahrscheinlich in ein paar Minuten verdienst. Ich hab mich bedankt. Die Jobs haben sich geändert, das mit dem Bücken ist geblieben.

War ich da Neidisch? Neidisch auf deinen Besitz?
Neidisch auf deine angeberische S-Klasse?
Neidisch auf deine 8 Zimmer Wohnung in Schwabing?

Ich war Jung, Ich fand dich cool. ich dachte: noch bin ich Student, aber in ein paar Jahren, wenn ich mich richtig anstrenge, dann kann ich so werden wie du. Das hast du mir damals auch gesagt. “Leute wie dich kann ich in meiner Unternehmensberatung brauchen” hast du gesagt. Als ob irgend jemand eine Unternehmensberatung brauchen würde.

Ein paar Jahre später hab ich dich im auf einer Reise wieder getroffen. Es war in einer karibische Nacht auf San Lucia, dem Ferienparadies der Superreichen. Ich hab bei einem Freund übernachtet, du hast in deinem “All inclusive Luxus Resorts” für Tausend Dollar die Nacht residiert.

Normalerweise gehst du da nicht raus. Draussen, da sind die Menschen aufdringlich arm. Das sieht deine Frau nicht so gerne. Drinnen da haben die gleichen Menschen hübsche weiße Handschuhe an, bringen dir deine Drinks und bücken sich vor dir. Gefällt dir das?

In Castries einem ehemaligen Piratennest gibt es eine kleine Bar, direkt am Hafen, dem ärmsten Teil der Stadt. Dort werden Joints rumgereicht und laut Reaggea gehört. Eigentlich ist das nur kleiner Holzverschlag mit nem Tresen drum rum, einer Truhe mit Eis und einem CD Spieler.

Da trank ich in dieser Nacht mit Freunden Cuba Libre. Trinkst du auch Cuba Libre? Oder nennst du es “Rum and Coke”? Du nennst ja auch diese Ansammlung von Wellblechhütten “Shantytown”. Da gehst du nichtmal Tagsüber hin.

In dieser Nacht allerdings, da warst du da, mitten drin im Shantytown. Du in deinem hellen Leinenanzug, deine Frau in ihrem Sommerkleidchen und deine zwei Kinder. Was habt ihr da gemacht? Beim Check In haben sie dich doch sicher davor gewarnt nachts das Hotel zu verlassen. Wahrscheinlich ist dein Mietwagen verreckt, neue Autos gibt es nicht auf der Insel. Die kommen da alle schon gebraucht an. Alles was es dort zu kaufen gibt ist Zeug, das hier keiner will. Bis auf den Rum und das Dope.

Der CD Spieler spielte Burning Spear. “Do ya remember tha days of slavery?” Die Gäste tanzten und sangen vor dem Verschlag auf der Straße mit. Man konnte ihre Wut spüren als sie es sangen: “Do ya remember tha days of slavery?” Offensichtlich konnten sie sich ganz gut Erinnern. In so etwas wie Wellblechhütten haben sie vermutlich auch damals gehaust. Und da warst Du und alle sahen dich an.

Als Du deine Familie hastig an uns vorbei triebst, sah man die Angst in deinen Augen. Du musstest diese Menschen nicht kennen um sie zu fürchten. Sie waren schwarz und arm, du warst reich und weiß.

In dieser Nacht war auch ich da und tanzte und sang mit den anderen. Und da hattest du in diesem Moment wohl auch vor mir Angst. War es dir Unheimlich dass ich dort Freunde finden konnte wo sie dich alle Hassen.

Was meinst du? War ich da Neidisch?

Jetzt sehe ich dich hier wieder. Fett geworden bist du. Siehst du hinter uns die Schlange? Die anderen warten darauf was abzubekommen. Sie warten schon ein ganzes Leben darauf. Sie haben hart dafür gearbeitet. Aber du, du kennst kein Maß. Wenn du nicht wärst, wäre genug da für alle.

Ich sage du hast Genug, und du nennst mich neidisch, missgünstig?

Bestimmt sind auch die Menschen in Lybien, Ägypten, Iran oder Tunesien einfach nur neidisch und missgünstig. Was meinst du, haben die dort auch eine "Neiddebatte" die nur etwas heftiger ausgetragen wird? Glaubst du die sind nur auf der Straße für freie Presse? Für Mitbestimmung? Glaubst du die lassen sich abschiessen weil sie Neidisch sind?

Nein mein Freund. Ich habe so viel wie ich brauche. Aber weil du zu viel hast, haben Tausende andere zu wenig. Ich höre es überall um mich herum lauter werden “Du hast Genug!” sagen die Tausend. “Du hast Genug!” höre ich Hunderttausende in Griechenland, Italien oder Frankreich.
“Du hast Genug!” höre ich es Millionenfach aus Nordafrika.

Ich sag dir was: Aus deiner Antwort höre ich die Angst die ich damals in der Karibik in deinem Gesicht gesehen habe. Die Angst Irgendwann könnten dich die Polizisten die hier stehen nicht mehr schützen und plötzlich merkst du, du hast Angst allein zu sein unter den Menschen die voller Wut sind.
Sie sind wütend weil du dich Maßlos bereicherst.
Sie sind wütend weil du nicht merkst, dass du Genug hast.
Sie sind wütend da sie arm sind, weil du reich bist.
Doch trotz dieser Angst kennt deine Maßlosigkeit kein Ende.

Morgen schon traust du dich nicht mehr heraus aus deinem Palast.
Aber deine Gier wird immer noch nicht gesättigt sein.
Du wirst Leute mit Schlagstöcken und Gewehren bezahlen müssen um deinen Reichtum zu verteidigen. Übermorgen wird dich auch zu Hause niemand mehr schützen können.

Wenn jemand dann das nächste mal dein Eigentum aus deinem Haus trägt wirst du ihn nicht mehr dafür bezahlt haben, also bitte, ich sage es noch einmal höflich, stell diese Schüsseln zurück und geh zur Seite, du hast Genug!”

Link: Aufsichtsratschef Cromme (Siemens, Thyssen) sagt Managerkritik ist "Neid und Missgunst"

1 Kommentar:

  1. Ob Herr Cromme meine kleine Geschichte gelesen hat, frage ich mich?

    Der "unvorsichtige Umgang" mit Kapital habe "das Risiko eines Kollapses über Jahre hinweg dramatisch erhöht", sagte Cromme, der zugleich das Geschäftsgebaren vieler Banken kritisierte: "Und wenn etwas schiefgeht, muss der Staat, also der Steuerzahler, einspringen. Das führte zu einem Vertrauensverlust gegenüber der gesamten Finanzwirtschaft."

    Zugleich habe der Glaube der Deutschen an die Durchlässigkeit nach oben "in den letzten Jahren gelitten - und zwar zurecht", sagte Cromme. Die Lage der deutschen Mittelschicht werde immer prekärer. Crommes bitteres Fazit: "Oben werden sie immer reicher, unten herrscht im günstigsten Fall Stagnation. Ich glaube fest an das Solidarprinzip unserer Gesellschaft. Dazu müssen auch die Besserverdiener ihren Beitrag leisten."

    http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/0,2828,819198,00.html

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