Mittwoch, 20. April 2011

Killerspieldebatte, eine Verschwörungstheorie.

Ich weiss, das ist jetzt wieder ein ganz anderer Post als versprochen. Wiedermal gibt es vordergründig keinen aktuellen Bezug. Es geht um die Killerspieldebatte und was wir daraus lernen können.

Die Computerspielindustrie ist hierzulande massiven Angriffen ausgesetzt. Eine unerklärliche Angst vor dem harmlosen Zeitvertreib wird in den Medien geschürt. Warum diese Angst? Wer gewinnt bei der hysterisch von allerlei Innenpolitikern, Hinterbänklern und Pseudowissenachaftlern geführten Killerspieldebatte?

Allen voran Kriminologe Christian Pfeiffer, der einen wahren Kreuzzug gegen die Spielebranche führt. Er warnt vor der "Medienverwahrlosung" und der "Abstumpfung vor Gewalt" und scheut sich nicht Amokläufer und Computerspiele in einen Zusammenhang zu setzen.

Eine ganze Generation wird so Kriminalisiert. Eine eigentliche Wachstumsbranche mit dem Begriff Killerspiele abgeurteilt. Man stelle sich vor in den Parteiprogrammen würde der Satz stehen "Killerautos müssen verboten werden" (was ich bei Geländewägen durchaus für angebracht hielte). Ein Aufschrei der Automobilindustrie wäre die Folge. die Computerspielindustrie Deutschlands, die ohnehin weit hinterherhängt, hat keine Lobby die sich dem entgegensetzen kann.

Politik und Medien sind bei diesem Thema eine enge Allianz eingegangen. Um zu verstehen warum, muss man Analysieren was unsere Medien eigentlich verkaufen.

Ein Zeitschrift oder ein Fernsehsender verkauft Zeit. Die Zeit, die sich ihre Zielgruppe mit diesem Medium beschäftigt. Um so länger der Konsument sich mit dem Medium beschäftigt um so interessanter ist es für ihre Kunden, die Wirtschaft.

Anm: manch einer lebt ja immernoch in der Illusion er wäre als Leser/Zuschauer in der Rolle des Kunden. Gesegnet seien die geistig armen.

Das Medium Computerspiele konkurriert sehr Erfolgreich um die Aufmerksamkeit der begehrtesten Zielgruppe. Mehr als die Hälfte aller Werbebudgets richtet sich an Zielgruppen von 18 und darunter. Gerade junge Menschen sind die Motoren des Konsums und die Konsumenten von Morgen.

Nach Aussage befreundeter Lehrer spielt das Fernsehen oder die Zeitschrift heute bei den Jugendlichen kaum mehr eine Rolle. Dies ist ein ernsthaftes Problem für die Medien, eines das gut dazu führen kann, dass die Medien in dieser Form dem Untergang geweiht sind. Die Politiker sind auf diese Medien angewiesen um ihr Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Alles was sie in die Medien bringt ist ihnen recht. Die Wählergruppen von Union und FDP befinden sich meist im fortgerückten Alter und haben keinen Bezug zu Computerspielen. Eine Feindschaft dazu lässt sich sich gut aus dieser Fremdheit und der Angst vor dem Unbekannten erzeugen.

Ein ideale Interessengemeinschaft zwischen Politik und Medien entsteht. Mann muss kein großer Verschwörungstheoretiker sein um hier den wesentlichen Grund für die Killerspieldebatte zu sehen.

Was aber hat Herr Pfeiffer, Kriminologe und angeblicher Wissenschaftler von seinem Engagement?

Hier muss ich (noch) weiter Ausholen. Herr Pfeiffer gehört zu denen, die im Sinne konservativer, (reaktionärer) Ideologie in der Schule eine Institution sehen, die jungen Menschen "Fleiß und Disziplin" beizubringen hat.

Die Schule ist für Junge Menschen, vor allem pubertierende Jungs, dadurch ein lebensfeindliches Umfeld. Es ist diese Zeit in der sie gegen ihre natürlichen Instinkte zu stillem Gehorsam gezwungen werden, und in der die Computerspiele laut Herrn Pfeiffer eine einnehmende Rolle spielen können.

Junge Menschen (und nicht nur die) die frustriert von ihrer Umwelt sind, können dazu neigen in die Fiktion zu entfliehen. Diese Flucht vor der Gesellschaft in die Fiktion ist nicht nur bei Jugendlichen inzwischen weit verbreitet.

Es ist ein Rückzug vor den widernatürlichen Zwängen und Erwartungen die an junge Menschen von Schule und Gesellschaft gerichtet werden. Zudem bieten Computerspiele einen Raum in der diese bestimmenden Gruppen machtlos sind und sie selbst allmächtig.

Das Menschliche Gehirn ist mit dem Ende der Pubertät voll entwickelt. Es bestehen keinerlei biologische Gründe für die Diskriminierung junger Erwachsener die in unserer Gesellschaft stattfindet. Es ist ein evolutionärer Vorteil der den Menschen in dieser Zeit dazu bringt sich gegen das Bestehende aufzulehnen. Er hilft den Menschen sich schneller an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Sie erinnern sich vielleicht, es gibt in der Anthropologie keinen Unterschied zwischen individueller und gesellschaftlicher Evolution. Dieser Urinstinkt wird in unserer Gesellschaft gewaltsam unterdrückt und damit unsere Fähigkeit uns weiterzuentwickeln gebremst.

Heute kenne wir diese Mechanismen, aber anstatt diese Energie in unserer Gesellschaft zu nutzen, werden Junge Menschen gezwungen sich unterzuordnen. Sie sind weder Wahlberechtigt noch Selbstbestimmt, quasi Rechtlos.

Unsere Gesellschaft presst diese jungen Menschen dadurch in die Gefügigkeit. Nur wer gefügig und angepasst ist hat Anrecht auf einen späteren Arbeitsplatz. Wer sich auflehnt und die "Mitarbeit verweigert" wird rigoros ausgesiebt. Günter Dueck bezeichnet dies als "Beigebrachte Hilflosigkeit" und "Psyschozid".

Hinzu kommt das die Inhalte der Computerspiele diesen Befürfnissen der Auflehnung angepasst sind. Gerade in neuerer Zeit handelt es sich häufig um Dystopien wie "Bioshock" oder "Fallout", in denen faschistoide Kapitalisten die Welt an den Rand des Untergangs gebracht haben. Dies entspricht durchaus den realistischen Zukunftsaussichten junger Menschen, die sich dessen weit mehr bewusst sind als es unsere Mächtigen wahrhaben wollen.

Die in Computerspielen stattfindende Gewalt dient den oben genannten Interessengruppen als Vehikel um ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen. Einen Zusammenhang zwischen Gewalt in Computerspielen und Amokläufern herstellen zu wollen ist aber schon statistisch Unsinnig. Fast alle Jugendlichen spielen Computerspiele, die allerwenigsten laufen Amok. Die Faszination der Gewalt ist aber durchaus ein Ausdruck der Auflehnung.

Die Gefahr der Flucht in die Fiktion ist nicht zu leugnen und ein damit verbundenes Absinken der Schulnoten wahrscheinlich ebenso.
Nur, wer trägt die Verantwortung?
Die Fiktion oder die Realität?

Die Ausgrenzung und Diskriminierung junger Menschen mit Amokläufen in Verbindung zu bringen heist aber diese einzugestehen. Diese wahren Gründe für die plötzliche gewalttätige und ziellose Auflehnung junger Menschen gegen ihre Umwelt einzugestehen bedeutet wiederum einen Wandel in unserer Gesellschaft für nötig zu halten.

Da ist es für Herrn Pfeiffer, der im Auftrag unserer Politiker forscht, wesentlich bequemer den Schuldigen in den sogenannten Killerspielen zu sehen.

Edit:
Oft wird angesichts der PISA Studien neidisch nach Schweden, Finnland, Kanada oder Dänemark geblickt. Diese Länder haben sich von Frontalunterricht, großen Schulklassen und vor allem der Diskriminierung von jungen Menschen verabschiedet.

Der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor der Werbeindustrie wird ernst genommen. Werbung für Zielgruppen unter 14 Jahren ist in Schweden oder Kanada verboten. Klassengrössen in Dänemark oder Finnland umfassen eher 10 Kinder statt 30.

Meiner Ansicht nach das Wichtigste: Jungen Menschen wird auf Agenhöhe und mit gegenseitigem Respekt begegnet während bei uns nur einseitig Respekt verlangt wird.

3 Kommentare:

  1. Eine interessante und hoechst wahrscheinlich zutreffende Theorie. Der Trend zum sog. Cloud Computing deutet ebenfalls in die Richtung ansich autarke, werbefrei Platformen wie z.B. PCs, Spielekonsolen etc. staerker an zentrale, werbefinanzierte Dienste anzubinden, um sich so der "Kanaele" in die Koepfe der Nutzer zu bemaechtigen.
    Herzliche Gruesse
    Georg Trappe

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  2. sehr interessanter und schöner Text, Martin. Du hast völlig Recht. Bezüglich cloud computing, wie von meinem Vorkommentator angesprochen: Ein Teufel an der Wand, der zumindest nicht ganz unwahrscheinlich ist. Man wird seine Stimme erheben müssen.

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  3. Danke (an beide) für das Lob.

    Als Folge meiner Argumentation wird auch offensichtlich, dass ein Verbot von sogenannten Killerspielen die Wahrscheinlichkeit weiterer Amokläufe (IMO massiv) erhöht.

    Man stelle sich nur einmal vor: der meines erachtens völlig unzurechnungsfähige Uwe Schünemann (http://www.stern.de/politik/deutschland/killerspiel-debatte-das-ist-pervers-578137.html), Innenminister in Niedersachsen und Träger des Big Brother Awards, würde sein Anliegen des Totalverbots bestimmter Spiele durchsetzen.

    Die Hilflosigkeit und Frustration junger Menschen gegenüber ihrer Umwelt würde exponential wachsen. Die Rückzugsmöglichkeit in die Fiktion würde genommen bzw. kriminalisiert werden. Schünemann spricht (siehe Intervie Stern) offen von "Razzien" gegen Junge Computerspieler.

    Für meine Verachtung gegenüber verantwortungslosen und allgemeingefährlichen Politikern wie Herrn Schünemann finde ich tatsächlich keine Worte mehr.

    Während ausserdem nach einer Herabstzung des Mindeststrafalters für Jugendliche Gewalttäter gerufen wird, wird die Freiheit der Jugendlichen immer mehr beschnitten. Einen Zusammenhang der Diskriminierung, Entrechtung und Unterdrückung mit dem Aufstand der Jugend will man nicht sehen.

    Sollte es in Folge dieser Politik zu noch mehr blutigen Amokläufen kommen, wären Herr Schünemann und seine Geistesverwandten dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Natürlich wird man aber statt dessen die Schraube der Unterdrückung und Entrechtung junger Menschen weiter anziehen.

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