Montag, 11. April 2011

Die Nachhaltigkeit in unserer Politik

Die große Frage die sich mir stellt um meine Ankündigung einer Utopie für eine nachhaltige Welt wahr zu machen ist, womit fange ich an? Der Weg in eine nachhaltige Gesellschaft ist in vielerlei Hinsicht trivial bzw. schon längst untersucht und bekannt. Ich will deshalb zunächst Darstellen welche Gedanken sich der Deutsche Bundestag zu diesem Thema in der Vergangenheit gemacht hat.

Der Bundestag setzte um die Jahrtausendwende einige interessante Enquete-Kommissionen ein, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigten.

Die Enquete-Kommission “Globalisierung” (2000 - 2002) unter der Führung von Ernst Ulrich v. Weizäcker (Club of Rome) oder die Enquete Kommission “Schutz des Menschen und der Umwelt” (1998).

Letztere formuliert in ihrem Abschlußbericht folgendes Armutszeugnis unserer Gesellschaft:

Zitat:
Eine ökologisch dominierte Nachhaltigkeitspolitik
wird im gesellschaftlichen Abwägungsprozess immer
dann unterliegen, wenn sich andere Problemlagen als
unmittelbarer, spürbarer und virulenter erweisen und da-
mit auch für politisches Handeln dringlicher und attrak-
tiver sind. Selbst wenn sie sich durchsetzen kann, bleibt
sie ohne Wirkung, denn letztlich dürfte nur eine Politik
der Integration der drei Dimensionen in der Lage sein,
die konzeptionelle Schwäche einer von wirtschaftlichen
und sozialen Fragestellungen isolierten Umweltdiskus-
sion zu überwinden. Ein strategischer Durchbruch, ge-
rade auch für ökologische Anliegen, kann nur gelingen,
wenn Umweltbelange nicht länger einer hochspeziali-
sierten Fachpolitik und -bürokratie zugewiesen werden,
sondern integraler Bestandteil der Gesellschaftspolitik
sind.
Sprich: Ohne eine schwere Krise ist unsere Gesellschaft nicht in der Lage nachhaltig zu Wirtschaften. Folgerichtig wurde ein Umdenken in der Stromerzeugung erst durch die Atomkatastrophe in Fukushima möglich, ob diesem Umdenken auch Taten folgen bleibt abzuwarten.

Die Kommission “Globalisierung” stellt zu dem Thema Nachhaltigkeit dagegen fest:

Eine nachhaltig zukunftsverträgliche Wirtschaft und Ge-
sellschaft lässt sich nicht anhand exakter Kriterien ab-
schließend definieren und im Sinne eines detaillierten
Zielsystems steuern. Grundlage aller Vorgehensweisen
muss vielmehr zukunftsbezogenes Lernen, Suchen nach
entsprechenden Kriterien und der Wille zum Gestalten
sein, – ein Prozess also, der sich durch ein gewisses Maß
an Offenheit und Unsicherheit auszeichnet.”
Ich meine, dass hört sich doch nach einer Empfehlung an, den in diesem Blog vorgestellten Wachstumsbegriff einzuführen.

Natürlich liegen die Abschlußberichte allen Bundestagsabgeordneten vor. In diesen Dokumenten steht schon sehr viel darüber wie man eine Wende zu einer nachhaltigen Gesellschaft vollziehen könnte.

Beispiel:
Empfehlung 7-5 Stärkung des ökologischen
Landbaus und Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft
Die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Pro-
duktionsformen muss vorangetrieben werden. Der Stär-
kung der nachhaltigen, standortgerechten Landwirtschaft
in den Entwicklungsländern und weltweit mit ihren Po-
tenzialen zur Verbesserung der Welternährungssituation
gilt dabei besondere Aufmerksamkeit.

Interessant bei dieser Feststellung ist, dass sie genau das Gegenteil der Behauptungen der Agrarindustrie ist, dass nur Gentechnik und Industrielle Landwirtschaft die Welt ernähren kann.

Der Bericht Lohnt sich unter vierlerlei Aspekten zu lesen. Beispielsweise wird dort vor einer Finanzkrise gewarnt und dringend die Einführung einer Transaktionssteuer empfohlen.

Daraus kann man also nur den Schluß ziehen, dass unserer Politik in allen Lagern die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit vollkommen bewusst sein muss (Ebenso wie der Kontrolle der Finanzindustrie). Beide Abschlußberichte wurden schliesslich im Bundestag diskutiert. Dennoch wurde genau das Gegenteil von dem Umgesetzt was diese wissenschaftlichen Kommissionen empfohlen haben.

Entschlüsse hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft wurden nicht getroffen. Allein durch die Wirtschaft eingebrachte Vorschläge mit zweifelhaften Nutzen, die zu einer "Belebung des Wachstums" führen sollten wurden verabschiedet.

Beispiele sind das Verbot der Glühbirne oder die Einführung des E10 Benzins. Hier wird auch deutlich, dass auch die Interessen der Bürger bei der Entscheidung für und wieder Maßnahmen zur Nachhaltigkeit keine Rolle spielen.

Weder E10 Super noch das Glühbirnenverbot führen zu mehr Nachhaltigkeit. Zumindest nicht Spürbar. Der Verbrauch von Elektizität für Licht in privaten Haushalten beträgt ca 0,3 % unseres gesamtenergieverbrauchs. Selbst eine Einsparung von 50% führt nicht zu einer wesentlichen Verringerung unseres Energiebedarfs.

Herstellung und Entsorgung der "Energiesparlampen" sind jedoch wesentlich aufwendiger. Diese Aktion ist also eine reine Greenwashing Kampagne die für die Hersteller dieser Leuchtmittel dicke Gewinne verspricht und dem Bürger hohe Kosten für zweifelhafte Produkte aufbürdet.

E10 Benzin ist von fragwürdigen ökologischen Nutzen. Es handelt sich dabei um ein Zugeständnis an die Automobilindustrie. So können weiterhin SUVs von Deutschen Herstellern verkauft werden ohne den CO2 Flottenverbrauch über die von der EU zugelassenen Höchstwerte zu überschreiten.

Beide Maßnahmen werden also von den Bürgern abgelehnt und sind einzig und allein den Partikularinteressen bestimmter Industriezweige von Nutzen.

Anders als in dem Bericht der Enquete Kommission Umweltschutz behauptet scheint es also nicht um die Integration ökologischer, ökonomischer und sozialer Interessen zu gehen. Sobald die wirtschaftlichen Aspekte stimmen ist man auch bereit Gesetze gegen soziale und ökologische Interessen zu verabschieden. Einziges Zugeständnis an soziale Interessen scheint die propagandistische Verwertbarkeit der Beschlüsse zu sein.

Wenn eine Chance besteht, dass man den Bürgern diese Klientelpolitik als scheinbar ökologisch verkaufen kann wird sie auch durch da Parlament gepeitscht. Ein Lichtblick dabei ist, dass anscheinend unsere Gesellschaft nicht mehr bereit ist diese Politik mitzutragen.

Im Endeffekt kann man also zusammenfassen, dass dem Umbau zu einer nachhaltigen Gesellschaft die Profitgier und der Lobbyismus (gerne als "Wirtschaftsinteressen" bezeichnet) entgegen stehen. Totschlagargumente gegen jedwede Gesetzgebung hin zu mehr Nachhaltigkeit sind Kosten, drohende Arbeitslosigkeit und Verschlechterung der "Wettbewerbsfähigkeit".

Alle drei dieser Scheinargumente laufen wieder auf die ideologische Ausrichtung unserer Politik auf ein BIP Wachstum, also auf die Akkumulation von Vermögen, heraus. Eine Nachhaltige Politik muss also an dieser Stelle ansetzen. Folgende Fragen muss man endlich öffentlich erörtern:


  • Ist Nachhaltigkeit mit diesem System Vereinbar?
  • Wenn nein warum nicht?
  • Was können wir tun um das System so zu verändern, dass Nachhaltigkeit möglich wird?
Nicht einmal die Grünen, die Nachhahltigkeit als zentrales Thema ihres Programmes ausweisen, wagen es diese Fragen zu stellen. Zumindest nicht seit dem Austritt der Fundis.

Soziale, ökonomische und ökologische Fragestellungen können wahrhaftig nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Eine alleinige Ausrichtung auf ökonomische Fragestellungen ist die Krankheit an der unsere Gesellschaft sozial leidet und die die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft akut massiv gefährdet.

Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass ein sozialer Umbau stattfinden muss, bevor es einen ökologischen Umbau geben kann.

Nachtrag:
in meinem Post fehlt noch der Hinweis auf die Enquete Kommission Nachhaltige Energieversorgung

In Ihrem Abschlussbericht steht:

(2042) Die Enquete-Kommission sieht mit großer Sorge die ungebremste globale Zunahme der Verbrennung fossiler Brennstoffe und das unzureichende Umsteuern in den Industrieländern, deren heutige Energiesysteme dem Prinzip der Nachhaltigkeit nicht genügen und schon gar nicht global verallgemeinerbar sind.


und weiter ...

(2045) Vor diesem Hintergrund erfordert die Berücksichtigung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen von Nachhaltigkeit das Primat der Politik und – zur Sicherung des Gemeinwohls und der globalen Gemeinschaftsgüter wie z.B. ein stabiles Klimasystem – einen gegenüber Partialinteressen durchsetzungsfähigen Staat. Bei einer auf Interessenausgleich ausgerichteten und im demokratischen Zusammenspiel politischer Interessenvertreter formulierten Politik ist es Aufgabe des Staates, langfristige Entwicklungen und
Ziele des Allgemeinwohls zu berücksichtigen, zu befördern und mit demokratischen Mit-
teln durchzusetzen
Diese Auffassungen kann ich nur Teilen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen