Sonntag, 27. Februar 2011

Wachstum revisited 02

Ich habe in den früheren Posts einen neuen Wachstumsbegriff vorgeschlagen der auf der Tragfähigkeit unseres Ökosystems (Nach Marvin Harris) beruht. Was sagt die Tragfähigkeit und Ihr Zuwachs (Wachstum) genau aus und was nicht?

Hier noch einmal die Definition:
Das Maximum der für ein von Menschen bewohntes Ökosystem produzierten Energiemenge, in Abhängigkeit der Umweltbedingungen, eingesetzten Technologien und gesellschaftlichen Organisation, OHNE die Ressourcen auszubeuten nennt man Tragfähigkeit.

Zur Erinnerung: zur produzierten Energiemenge zählt neben nachhaltig produzierter Energie jede Form von produzierter Nahrung (Kalorien).

Die Tragfähigkeit (siehe hier) beschreibt damit, wie viele Menschen wir innerhalb des von uns bewohnten Ökosystems mit einem bestimmten Lebensstandard versorgen können. Wenn die Tragfähigkeit wächst, können mehr Menschen in unserem Land leben oder der Lebensstandard steigen.

Gesellschaftliche Entwicklung und damit der Anstieg der Population und des Lebensstandards, haben in unserer Geschichte immer wieder große Sprünge gemacht. Um diese Vorgänge Verstehen und Beschreiben zu können hat Marvin Harris den Begriff Tragfähigkeit definiert.

Voraussetzung und Auslöser gesellschaftlicher Veränderung ist immer die Änderung der Tragfähigkeit. Sie erlaubt bei Steigerung durch technologischen Fortschritt eine Verbesserung des Lebensstandards bei gleicher Population oder resultiert in einem Bevölkerungswachstum.

Unsere Gesellschaft jedoch hat durch die Ausbeutung fossiler Energieträger sich in ihrem Verbrauch weit jenseits der Tragfähigkeit unseres Ökosystems eingependelt und hat scheinbar diese Schranken durchbrochen. In den Zeitspannen der Evolution ist diese Phase des Überflusses jedoch unbedeutend.

Durch die Überschreitung der Tragfähigkeit kommt es über kurz oder lang immer zu einem Evolutionsdruck auf die Gesellschaft. Um so größer dieser Druck um so größer die Gesellschaftlichen Auswirkungen. Meist ist die Folge die Anpassung von Lebensstandard und Population an die neuen Umstände durch Krieg und Hunger und damit Regulierung der Population nach unten.

Folgende Aspekte werden von der Tragfähigkeit nicht betrachtet:

Die Tragfähigkeit ist eine auf den Menschen zugeschnittene Größe und ignoriert andere Lebewesen die unser Ökosystem Teilen. Es ist daher möglich die Tragfähigkeit zu steigern bei gleichzeitiger Ausrottung anderer Arten.

Das dieser Einfluss auf die Tragfähigkeit besteht ist sinnvoll, denn es passierte in der Vergangenheit ständig. Tatsächlich kann der Mensch natürlich durch Zerstörung von natürlichen Habitaten die Menge der produzierten Nahrung steigern, in dem er zum Beispiel Regenwälder abholzt und dafür Zuckerrohr anbaut. Dies zu ignorieren wäre falsch.

Andere Größen wie der Global Footprint Index nehmen diesen Einfluss auf andere Arten mit in die Berechnung auf.

Das Global Footprint Network (GFN) berechnet mit der Biokapazität eine Größe die dem Tragfähigkeitsbegriff sehr nahe kommt aber nicht nur für den Menschen gilt sondern alle Arten die das selbe Ökosystem bewohnen.

Die intention der Biokapazität und des ökologischen Fußabdruckes ist es uns aufzuzeigen welche negativen Einflüsse der Mensch auf das gesamte Ökosystem des Planeten hat. In die Berechnung des Fußabdruckes gehen daher verschiedenste Größen ein die jede für sich nicht nur ungenau sondern auch angreifbar sind.

Der ökologische Fußabdruck wird vom GFN in Landfläche in ha angegeben. Ich halte diese Maßeinheit für schlecht gewählt. Sie vermittelt eine Konstanz der Tragfähigkeit die nicht gegeben ist.

Die Erkenntnisse des GFN sind dennoch von großer Wichtigkeit. Für die Definition eines Wachstumsbegriffes eignet sich die Biocapacity aber nicht. Zu viele Größen sind wiederum Ideologisch geprägt und sollen uns die Auswirkungen unseres Verhalten auf andere Arten aufzeigen.

Den Einfluss unseres Handelns auf andere Arten und den Planeten als ganzes zu ignorieren wäre natürlich falsch. Wenn wir unser Ökosystem verändern besteht immer die Gefahr einer (meist negativen) Auswirkung auf die Tragfähigkeit. (Ganz abgesehen vom Einfluss auf andere Arten).

Umweltschäden die zu Ernteausfällen, Naturkatastrophen, Zerstörung usw. führen, beeinflussen die Tragfähigkeit direkt. Klimaveränderungen haben langfristig meist negative Auswirkung auf die Tragfähigkeit (vor allem Global).

Die Frage ist, ob dies in eine Tragfähigkeitsberechnung einer Menschlichen Gesellschaft einfliessen soll, oder nicht.


Der Tragfähigkeitsbegriff ignoriert auf den ersten Blick auch viele andere Aspekte unserer Kultur. Kulturelle Leistungen wie die Kunst, sozialen Fortschritt im miteinander, Bildung, Kriminalität, friedlichen Umgang mit anderen Gesellschaften (usw.).

Da aber der erreichte Lebensstandard die Grundlage dieser Kulturleistungen ist, sind sie von der erreichten Tragfähigkeit abhängig. (Erst kommt das Fressen, dann die Moral).

Eine physikalische Messgröße die zu viele Abhängigkeiten hat verliert ihre Aussagekraft. Bei einer Änderung der Größe wäre nicht mehr ersichtlich welche Abhängigkeit für die Veränderung ausschlaggebend war. Man sollte sich bei der Suche nach einer neuen Größe zu Bemessung des Wachstums auf eine feste Größe beschränken die der Bedeutung des Wortes Wachstum in seinem Wortsinn entspricht.

Der Tragfähigkeitsbegriff als Messgröße Gesellschaftlicher Leistungsfähigkeit erfüllt dieses Kriterium.

Der Tragfähigkeitsbegriff verdeutlicht auch das wichtigste, eigentlich banale Prinzip der Verteilung der produzierten Güter innerhalb einer Gesellschaft. Jeder bedient sich aus einer Gesamtmenge verfügbarer Güter. Ein Einzelner der eine größere Menge dieser Güter verbraucht reduziert diese für andere.

Meist reduziert er die Menge der Güter derer, die zum gleichen Zeitpunkt diese Ressourcen teilen. In unserer Gesellschaft vornehmlich jedoch Menge der Verfügbaren Güter der Menschen die unser Ökosystem in der Zukunft bewohnen werden.

Wir essen alle aus dem gleichen Topf. Wenn einer mehr nimmt bleibt für andere weniger übrig. Diese banale Tatsache wird von der vorherrschenden Marktwirtschaftlichen Ideologie und ihrer Propaganda verschleiert. Der Zuwachs an BIP soll immer den vermehrten Wohlstand aller Vermitteln auch wenn die Wirklichkeit eine ganz andere ist.

Warum ist diese Frage so wichtig? Hier weiterlesen >>.

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