Montag, 21. Januar 2013

Die unsichtbare Hand des Marktes und die Gentechnik

Wir konnten vor einigen Tagen mitverfolgen, wie Lance Armstrong die Dopingvergangenheit beichtete, die eigentlich allen (insbesondere auch den Anti-Doping Ermittlern) schon längst bekannt war.

Fast völlig unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit gelang dagegen vor 4 Jahren deutschen Forschern ein revolutionärer Durchbruch in der Gentechnik, der das Potential hat unsere Welt fundamental zu verändern.

2009 ist es Genetikern gelungen, ein technisch verwertbares und einfaches Verfahren zur Identifizierung von Gensegmenten zu Entwickeln, ein Werkzeug, dass die fast beliebige Manipulation von Genen ermöglicht.

Seit dem müssen Genetiker nicht mehr auf gut Glück die DNA segmentieren, die manipuliert werden soll, sondern können gezielt bestimmte Sequenzen des Erbmaterials in der DNA ansteuern um sie zu ersetzen.

Wollen sie z.B. eine neue Augenfarbe? Mit dieser Technologie ist es ohne weitere Probleme heute schon möglich die Sequenz in der DNA für die Augenfarbe braun durch die der Augenfarbe blau zu ersetzen.

Nach einiger Zeit wird diese genetische Änderung phänotypisch wirksam. Niemand könnte später Nachweisen, dass sie jemals eine andere Augenfarbe besessen hätten als die gewünschte.

Dies ist KEINE science fiction, sondern Stand heutiger Technik.

Diese Technologie hätte beispielsweise das Potential Patienten wie Lance Armstrong von ihrem Krebsleiden zu heilen, ohne die Nebenwirkungen zu verursachen unter denen er leiden musste.

Neue Therapien gegen Viruserkrankungen, ganz neue Möglichkeiten der Bekämpfung von Infektionen sowie selbstverständlich die vollständige Behebung von bisher unheilbaren Gendefekten werden damit möglich.  

Die Möglichkeiten die Menschheit mit dieser Technologie voran zu bringen sind fast Grenzenlos aber die Gefahren ebenso.

Natürlich machen Wissenschaftler sich Gedanken über die Ethik dieser Manipulationen, und der ethische Forscher ist in Universitäten Deutschlands der Normalfall.

Dieser Post soll nicht als Kritik an der Wissenschaft oder der Gentechnik verstanden werden, sondern ein Bewusstsein für die unglaublichen möglichen Konsequenzen dieser Technologie vermitteln.

Im Gegensatz zur Augenfarbe, in der die Beziehung zwischen Wirkung und Genom tatsächlich so einfach ist wie oben beschrieben, sind für die meisten Funktionen unseres Körpers hunderte oder tausende Gensequenzen verantwortlich.

Eine Manipulation am Erbgut eines Menschen kann also beliebige unerwünschte Effekte haben, da man oft das komplexe Zusammenspiel von Proteinen (Enzymen, Hormonen etc.) und Genen (noch) nicht ausreichend versteht.

Vor allem, die Erschaffung des "transgenen" Menschen ist ethisch und technologisch ein höchst heikles Thema. Transgen meint, dass dem Menschen Gene eines anderen Tieres mit den gewünschten Eigenschaften "Eingepflanzt" werden. (Richtig, genau wie in Spiderman).

Beispiel: Sie wollen in Zukunft ein zusätzliches Sinnesorgan, dass es ihnen Erlaubt nach dem Magnetfeld der Erde zu Navigieren?

Kein Problem, ein paar Sequenzen aus dem Genom der Taube und sie werden nie wieder einen Kompass benötigen.

Dies ist ebenfalls keine science fiction, wer Skrupellos oder Verrückt genug ist kann das schon heute mit guten Erfolgsaussichten versuchen.

Ich nehme nicht an, dass in der (offiziellen) Forschung, Wissenschaftler unbekümmert am Genom des Menschen herum-manipulieren werden, vor allem nicht zur Schaffung von transgenen Menschen.

Wohin wird die Entwicklung der Gentechnik gehen? Wer hat das in der Hand und wer bestimmt was wir damit tun? 

Meiner Ansicht nach wird die angeblich so heilsbringende Innovationskraft des Marktes die Entwicklung in leicht vorhersehbare Bahnen lenken. Diese Technologie wird, wie alles in unserer turbokapitalistischen Welt, darauf abgeklopft werden, wo sie den größtmöglichen Gewinn abwerfen kann. 

Damit das Potential Therapien zu entwickeln ausgeschöpft werden kann, muss die "marktwirtschaftliche Verwertbarkeit" einer neuen Therapie gegeben sein.

Es ist nicht anzunehmen, dass Pharmaunternehmen aus „Menschenfreundlichkeit“ teure Forschung finanzieren um seltene Krankheiten oder Gendefekte zu heilen die nur wenige tausende Menschen in unserem Land betreffen.

Es fließen in der Pharmaindustrie Milliarden in die Erfindung eines Haarwuchsmittels aber kaum ein Cent in die Therapie von seltenen Krankheiten. Diese Art von Forschung wird, wenn überhaupt, in Universitäten erbracht (wenn sie nicht zu öffentlich finanzierten Forschungsabteilungen der Privatwirtschaft mutieren).

Aber wie wir von Lance Armstrong und anderen Radprofis wissen, gibt es da eine Schattenwissenschaft, die keine Skrupel kennt und mit ungeheuren Mitteln ausgestattet ist.

Im Leistungssport werden ungeheure Summen umgesetzt und das Prestige von Nationen hängt von der Leistung dieser Sportler ab. Die Chance eine Dopingtechnik zu Entwickeln die nicht Nachweisbar ist, wird die Doping-Maffia nicht auslassen.

Transgene Manipulationen wären (glücklicherweise) im Genom einfach und schnell nachweisbar, dieser Horror ist also im Doping noch nicht zu befürchten, aber nach dem „idealen Sportlergenen“ im Erbgut von erfolgreichen Sportlern wird sicher schon gesucht.

Ich bin davon felsenfest davon überzeugt, dass schon heute Gentechniker der Dopingmaffia nach Gensequenzen fahnden, die die Leistungsfähigkeit von Sportlern verbessern.

Bisher hat die Doping-Maffia keinerlei Anzeichen moralischer Skrupel gezeigt. Das Sportler durch das verabreichte Doping sterben oder Krank werden können, hat diese Maffia noch nie interessiert.

Besonders in Ländern, in denen Ehrgeiz und Gier mancher Sportler oder Eltern keine Grenzen kennen (USA, Deutschland, England, Frankreich, Australien ...) oder deren Regime keine Skrupel haben (Nordkorea, China), wird die Idee, den "perfekten" Leistungssportler nach dem Baukastenprinzip zu schaffen, zu verlockend sein, als dass sie nicht angewendet würde.

In denke im Doping wird der Wunsch „den Mensch besser zu machen“ seinen Durchbruch erleben und erstmals zur Anwendung kommen.

Falls die so geschaffenen „Supersportler“ tatsächlich die Leistungen erbringen, die sich die Sportler und ihre Hintermänner versprechen, wird diese Technologie im Raum stehen und unsere Gesellschaft für immer verändern.

In einigen Jahren wird vielleicht ein Supersportler in einer Talkshow sitzen und „beichten“ ein Genexperiment zu sein. Mancher wird sich spätesten dann Fragen: „Wenn es gelingt den Supersportler zu schaffen, warum nicht auch den „Übersoldat“ oder das „Wunderkind“?“

Würde die Schattenwirtschaft die fehlgeleiteten und unethischen Wünsche von Eltern nach einem „Superkind“ aus Profitgier bedienen? Ja sicher!

Was ist mit der eigenen Verwertbarkeit in der Wirtschaft? Sie kommen mit dem Leistungsdruck nicht mehr klar? Haben eine Veranlagung zur Faulheit? Wie wäre es mit ein paar Gensequenzen eines „Leistungsträgers“ für ihren Erfolg?

Irgendwas muss ja mit Ihnen (Ihrem Genom) nicht stimmen, wenn Sie mit den Anforderungen der Gesellschaft nicht klar kommen oder?

Ich bin sicher, dass diese und ähnliche Gedanken einen Markt für einen illegalen Handel mit Gendoping für jedermann öffnen könnten. Wenn es einen Markt gibt, dann wird sich auch ein Anbieter finden.

Natürlich sind Gene auch in einem bestimmten Maß für unser Verhalten zuständig. Warum sollten in Zukunft politische gefangene Diktatorischer Regime in „Umerziehungslager“ gesteckt werden wenn man statt dessen die Neigung zur Auflehnung aus ihrem Genmaterial entfernen könnte? Untersuchungen zu Verknüpfung von Genom und politischer Überzeugung gibt es übrigens seit 1986 (Link).

Auch bei uns in Deutschland wurden in der Vergangenheit schon Versuche an Opfern des Justizvollzugs durchgeführt, um mittels Psychopharmaka Persönlichkeitsveränderungen durchzuführen. Warum nicht Gentherapie statt Sicherheitsverwahrung? 

Oder noch weiter gedacht: Ist das Volk zu aufmüpfig? Ist es mit der herrschenden Ungerechtigkeit unzufrieden?

Um die Veränderung der Gene zu erreichen, genügt potentiell die Einnahme von wenigen Pillen oder die Verabreichung weniger Spritzen. Es ist vorstellbar diese Verabreichung auch ohne das wissen des Opfers durchzuführen.

Die von Bert Brecht angesprochene „Lösung“ in seinem gleichnamigen Gedicht, könnte in extrem unangenehme Nähe rücken.

Der finale Horror wäre dann, dass verrückte, machtbesessene Herrscher beschließen ein Volk nach ihren Maßstäben zu schaffen und jetzt oder bald die Möglichkeit dazu hätten, oder es zumindest für möglich halten.

Die Vorstellung, dass Hitler die Möglichkeit in Händen gehabt hätte, blonde, blauäugige Arier (evtl. gleich mit entsprechender Veranlagung zu einer Herrenrassengesinnung) zu erschaffen, ist zu erschreckend um sie zu Ende zu denken.

Wir Menschen haben die Macht das Klima zu verändern, die Umwelt zu Zerstören und den Planeten in eine Wüste zu verwandeln. Heute halten wir die Macht über das Leben selbst in den Händen.

Lassen die Erfahrungen aus unserer Vergangenheit darauf schließen, dass wir damit vernünftig umzugehen in der Lage sind?

Die Gier nach Geld führt heute zu schrecklichen Verbrechen, deren Ausmaß für mich kaum vorstellbar ist. 

In einem früheren Post habe ich die in Afrika im Umlauf befindlichen Plagiate von Malariamitteln erwähnt, an denen bisher Millionen von Kindern gestorben sind. Es handelt sich dabei um Millionenfachen Mord für den Gewinn von ein paar Cent pro Opfer.(*)

Man kann angesichts dieses Wahnsinns nicht umhin zugeben zu müssen, dass im Namen der Gier heute alles getan wird was Gewinn verspricht. Die letzten Schranken der Moral sind vor Jahrzehnten gefallen.

Die Grenzen zwischen dem organisierten Verbrechen das Beispielsweise für die gefälschten Malariamittel verantwortlich ist, und der Wirtschaft, sind kaum mehr zu erkennen.

Gerade die Unternehmen der sogenannten „Life Sciences“, die die Geschäftsmodelle aus dieser Technologie entwickeln werden, legen eine fast völlige Missachtung von Ethik und Moral an den Tag. Die Durchführung von Medikamententests an nicht aufgeklärten „Patienten“ in der ausgebeuteten Welt scheint eher die Regel als die Ausnahme.

Wie frage ich mich, werden Sie wohl mit den neuen Möglichkeiten der Genetik umgehen und wo werden sie diese Testen?

Ist der Kapitalismus das geeignete System der Beschränkung und Regulierung dieser Macht?

Die Antwort ist nicht Eindeutig, aber dass wir immer weniger in der Lage sind, die Auswüchse des Kapitalismus in den Griff zu bekommen und zu Kontrollieren, ist unzweifelhaft.

Wie könnte unsere Gesellschaft beschaffen sein um mit der unbeschränkten Macht über diesen Planeten und seine Lebewesen und uns Menschen verantwortlich umzugehen?

Wenn Sie mir diese Fragen beantworten können bitte ich um Ihren Kommentar.


Siehe auch: Gendoping

(*) Ein Paket Artemesinin kostet(e) bisher in z.B. Kenia ca. 500Sh = 4€

2 Kommentare:

  1. Wenn man sich ansieht, wie massenhaft die Lemminge der Quantified-Self-Bewegung nachlaufen, ist sehr klar, dass das im Artikel erwähnte "Volk" schon selbst dafür sorgt, dass die beschriebene Gentechnik zum Einsatz kommt.

    Bzgl. Datenschutz ist/war ja dasselbe zu beobachten: Das Verhalten des "Volkes" hinsichtlich Selbstentblößung übertrifft noch bei weitem die kühnsten Träume früherer Diktatoren.

    Bleibt zu hoffen, dass dieselben Freiheiten und technischen Möglichkeiten, die zu diesem Verhalten geführt haben, auch dazu genutzt werden, dass eine Katastrophe ausbleibt.

    Ich bin verhalten hoffnungsvoll.

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    1. Mein Artikel ist zugegebener Weise davon geprägt, dass die Idee "den Menschen besser zu machen" eine Horrorvorstellung für mich ist.

      Vollkommen emotionslos und nüchtern (aus der Ferne) betrachtet mag es sein, dass es eine unausweichliche Konsequenz unserer Befähigung die Natur unseren Vorstellungen anzupassen ist, dass wir die genetische Entwicklung unserer Spezies selbst in die Hand nehmen.

      Die angesprochene "quantified Self" Bewegung ist ein Ausdruck genau dieser Bestrebung des Menschen die Kontrolle über seine Umwelt und sich selbst zu übernehmen.

      Ihre Mitglieder vor "besser" sein zu wollen als andere, bzw. sich verbessern zu wollen und dies zu quantifizieren, das wirkliche Bestreben des Menschen aber ist die Konformität.

      Das Bestreben des Menschen nicht von der Norm abzuweichen ist riesig. Möglich, dass wir in der Zukunft uns alle viel mehr ähneln werden als wir das heute tun und zwar schon auf genetischer Ebene.

      Heute schon streben die Patienten von Schönheitschirurgen ein Schönheitsideal an, das vor allem von der Unterhaltungsindustrie geprägt wird.

      Wünsche wie "ich möchte aussehen wie Jennifer Lopez" werden in den OPs der Schönheitskliniken häufig erfüllt.

      Als Besucher der USA und vor allem Kaliforniens, fällt einem die Gleichförmigkeit der Menschen auf. Nase, Kinn, Lippen etc. werden für die die es sich leisten können nach schablonenhaften Mustern geformt.

      Durch die Gentechnik könnten alle äusseren phänotypischen Ausprägungen des Menschen zu Modeerscheinungen werden. Die Hautfarbe, die Haarfarbe, lockiges oder glattes Haar (oder die Form der Nase und Lippen?) würden eine Frage der Laune und nicht der Herkunft. Die Gene dafür editierbar wie dieser Text.

      Die Diskriminierung nach der Hautfarbe dem Aussehen oder der Veranlagung Dick zu sein könnten in Zukunft Makulatur werden (oder verwandelt sich in beabsichtigte Zugehörigkeit zu konkurierenden genetischen Subkulturen).

      Die Rasse, wissenschaftlich schon längst als Begriff verschwunden, könnte in den Köpfen der Menschen zu einer überkommenen Idee einer primitiven Vergangenheit werden.

      Mag sein, dass es z.B. für Jennifer Lopez heute ein Horror sein wäre, dass Klone ihres Gesichtes zu tausenden auf den Straßen zu finden sind. Vielleicht wird das in der Zukunft ganz normal?

      Werden wir in Zukunft ein Patent auf ein Gesicht haben? Könnte JayLo ihr Gesicht und ihren Körper im wahrsten Sinne "zu Markte tragen"?

      Gehen wir weg von den Äusserlichkeiten. Wie sieht es mit teifgreifenderen mutationen aus?

      Werden wir die Möglichkeiten transgener oder artifizieller Mutationen in vollem Umfang anwenden?

      Werden Menschen in Zukunft wie selbstverständlich Katzenaugen haben? Haben bald alle Menschen die überragende motorische Intelligenz von Robben oder Delphinen?

      Sind wir bald alle Genies? Werden wir Menschen uns selbst an unser Berufsbild anpassen?

      Vielleicht steht es uns gar nicht zu diese Entwicklung zu bremsen oder zu verurteilen. Der Mensch entwicklet sich als Gesellschaft weiter, oft in ungeahnte Richtungen.

      Eine evolutionäre Entwicklung zur idealen Gesellschaft wird es immer geben. Vielleicht ist die totale Kontrolle über unsere genetische Entwicklung der entscheidende Schritt zur idealen Gesellschaft die wir heute noch gar nicht absehen können.

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