Dienstag, 18. Juni 2013

Die Nachhaltigkeit (in) der Sprache

Wieder schreibt Ferdinand Knauß in der WiWo (beinahe) den Artikel den ich gerade schreiben wollte. Der Mann entwickelt sich zu einem meiner Lieblingsjournalisten.
"Die Grüne Illusion: Das Versprechen eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums ist eine Lüge, wenn man beide Begriffe ernst nimmt. Letztlich müssen wir uns entscheiden, wie viel Wachstum wir noch wollen."
Was die Entscheidungsfreiheit über zukünftiges Wachstum angeht liegt Knauß natürlich daneben, in seinem Artikel beschreibt er aber was ich schon länger beobachte.

Nachhaltigkeit als Wort wird fürchterlich verunglimpft. Um seine Bedeutung und Interpretation wird politisch gerungen. Inzwischen ist der ursprüngliche Wortsinn wie er in der Forstwirtschaft geprägt wurde kaum noch zu finden.
"Nachhaltigkeit ist ein forstwirtschaftliches Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann."(Wikipedia)
Diese Definition lässt keinen Spielraum zu. Hier existiert kein "Dreiklang ökonomischer, ökologischer und sozialer Interessen" wie er im "Drei Säulen Modell" der "Bundlandt Komission" beschrieben wird. 

Auch wenn der Forstbesitzer seinen Waldbestand deshalb rodet, weil sonst er und seine Familie hungern müssen, ist der Wald weg und wird lange Zeit nicht Nachwachsen.

Wenn wir mehr verbrauchen als nachwächst dann ist das nicht nachhaltig. Jeder der einen anderen Wortsinn in die Nachhaltigkeit interpretieren will hat ein propagandistisches Interesse. Wer es schafft seine Interessen durch einfaches Umdeuten des Begriffes nachträglich als Nachhaltig zu definieren, hat das Ringen um die Deutungshoheit gewonnen.

Ferdinand Knauß schreibt besser als ich, ich will ihn deshalb nochmal zitieren:
"[...] diesen Spielraum erweitern und nutzen seither professionelle Nebelwerfer in Unternehmen, Parteien und unzähligen Interessengruppen ausgiebig. Natürlich verändert sich die Bedeutung jedes Begriffs mit der Zeit. Aber die der Nachhaltigkeit wird bewusst entkernt. Der Begriff wurde so lange durch den Wolf der PR-Abteilungen gedreht und mit dem Adjektiv „grün“ verwurstet, dass kaum etwas vom ursprünglichen Sinn erkennbar bleibt – außer dem diffusen positiven Gefühl, das man dabei hat."

Jeder der eine andere Deutung der Nachhaltigkeit verbreitet macht sich also zum Vertreter dieser Interessen, egal ob er will oder nicht und wie gut seine Absichten sind. Die Grünen sind wirklich gut darin Nachhaltigkeit in ihr Programm zu schreiben aber dann die Bedeutung der Nachhaltigkeit umzudefinieren.

Ob das besser oder schlechter ist, als die Problem einfach zu verleugnen (wie es Union, FDP und SPD tun) weiss ich nicht. Sicher ist, dass die Linke als einzige Partei die Unvereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Kapitalismus offen anspricht.

Eine Passage aus Ferdinand Knauß Artikel muss ich ihm allerdings ausbessern:
"Auch wer weniger Öl, Gas, Kohle, Erz oder was auch immer verbraucht, konsumiert endliche Naturressourcen. Er wirtschaftet dadurch vielleicht effizienter als seine Vorgänger, aber nicht wirklich nachhaltig. Irgendwann sind nicht nachwachsende Ressourcen aufgebraucht. Eines Tages wird auch durch Fracking kein Gas oder Öl mehr aus den Tiefen zu pressen sein. Dann ist eine absolute Grenze des Wachstums erreicht – egal ob man es zuvor „grün“ oder „nachhaltig“ nannte"

Wenn es um Wachstumsgrenzen geht ist die Verwirrung ebenso groß wie bei der Wortbedeutung der Nachhaltigkeit. Die Textpassage vermittelt, dass die Grenzen irgendwann in ferner Zukunft erreict werden. Wachstum ist dynamisch und die Grenzen des Wachstums sind bestimmt durch den Ressourcenfluß.

Die Grenzen des Wachstrums sind deshalb nicht erst erreicht wenn endliche Ressourcen nicht mehr verfügbar sind. Wie wir an Schiefergas, Teersanden oder Methanhydrat sehen können, existieren nicht ausgebeutete Kohlenwasserstoffe als Energieressourcen in großen Mengen auf unserer Erde.

Sicher ist, dass ihre Ausbeutung niemals Nachhaltig ist. Ob die Ausbeutung von Energieressourcen unser Wachstum antreiben kann hängt von anderen Faktoren ab: 
  •  Wieviel Energie müssen wir aufwenden um die Ressource auszubeuten und mit den Folgen der Ausbeutung (Umweltzerstörung) fertig zu werden? Gibt es also einen Nettoenergiegewinn?
  • Wenn es denn ein Nettogewinn ist, ist die Frage wie schnell wir diese Ressource fördern können, denn unser Wachstum verlangt auch eine wachsende Fördermenge.
Mit dem Rückgang der Rohölförderung haben wir deshalb die Grenze weiteren Wachstums heute schon erreicht.Wir können die Förderung im Moment auf gleichbleibendem Niveau halten, aber ein Wachstum wird sie nicht mehr unterstützen. Da die wichtigste Ressource heute schon hinter der Nachfrage zurückbleibt und das Wachstum stagniert, erleben wir weltweit, wie sich das auf Wachstum ausgerichtete System destabilisiert.

Wir sind also noch weit weg von echter Nachhaltigkeit aber haben sogar die Grenzen der nicht nachhaltigen Produktion überschritten. Wo die Politik eine kleine Delle der Konjunktur sieht lauert ein Abgrund der unsere gesamte gesellschaftliche Ordnung verschlingen kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen