Donnerstag, 23. Juli 2015

Jugend, Prekarität und der Weg in den Generationenkonflikt

In der Süddeutschen Zeitung hat der Baywa Vorstand Klaus Josef Lutz ein Interview gegeben, dass klar macht, wie die neoliberalen Eliten sich eine gefügsame Jugend vorstellen. Eine Jugend die nicht aufmuckt und sich freiwillig der Diskriminierung, Entrechtung und Ausbeutung für alle Zeit hingibt.

Hier einige schöne Ausschnitte aus dem Interview:

"Offensichtlich gibt es heute viele 20- bis 30-Jährige, denen es vor allem auf Freude und Selbstverwirklichung ankommt, die nichts von Hierarchien und stattdessen eine gewisse Lebensqualität für garantiert halten", klagt Lutz.

Zum Problem wird das, wenn diese Menschen in Unternehmen arbeiten, die sich international bewähren müssen. Denn dann stünde die GenY "plötzlich im Konkurrenzkampf mit hochausgebildeten jungen Menschen aus Asien, Afrika und Osteuropa". Diese fragten nicht zuerst nach Selbstverwirklichung und Dienstwagen, sagt Lutz.

Weiter sagte er: "Unseren jungen Leuten müssen wir klarmachen, dass sie an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen müssen. Ich fürchte, ihnen könnte die eigene Selbstzufriedenheit noch auf die Füße fallen."

(Quelle: Huffington Post)

Der Umstand, dass dieses System und seine Versprechungen für junge Menschen immer weniger Sinn ergibt, ist für Herrn Lutz allein der Jugend zuzuschreiben. Immer mehr Altlasten dieses zerstörerischen Systems werden währenddessen von den (tatsächlich) selbstzufriedenen Gewinnern der Ausbeutung den zukünftigen Generationen aufgebürdet. 

Die Jugend soll in diesem System, dass ihm die Zukunft genommen hat, vor allem funktionstüchtiges Menschenmaterial darstellen, dass sich gefälligst den Zwängen des Profits anzupassen hat. Ich habe in früheren Posts geschrieben, dass der Kampf um eine Zukunft auch ein Generationenkonflikt ist. Lutz und die anderen selbstzufriedenen, reichen, weissen, alten Männer, halten Krampfhaft das Steuer auf der Fahrt in den Abgrund fest. Ihre Rethorik ist dabei diskriminierend, nationalistisch und autoritär. 

Die massenhafte Jugendarbeitslosigkeit in Europa und das Ausspielen der Nationen untereinander ist das Druckmittel um die Jugend in die freiwillige Unterwerfung zu drängen. An den Gewinnen werden sie schon lange nicht mehr beteiligt.

Dieses System funktionierte bisher gut. Seine Auswirkungen hat Pierre Bourdieu, der momentan einflussreichste Sozialforscher des 20Jh., schon 1997 beschrieben. (Pierre Bourdieu (1997): Prekarität ist überall).

Zitat: "Die  von  der  Prekarität bewirkten Dispositionen  der  Unterwerfung  bilden  die  Voraussetzung  für  eine immer  erfolgreichere  Ausbeutung,  die  auf  einer  Spaltung  zwischen einerseits der immer größer werdenden Gruppe derer, die nicht arbeiten, und  andererseits,  die  immer  mehr  arbeiten,  fußt.  Bei  dem,  was  man ständig  als  ein  von  den  unwandelbaren  »Naturgesetzen«  des Gesellschaftlichen regierten Wirtschaftssystemen hinstellt, scheint es sich meines Erachtens in Wirklichkeit vielmehr um eine politische Ordnung zu handeln, die nur mittels der aktiven oder passiven Komplizenschaft der  im  eigentlichen  Sinne  politischen  Mächte  errichtet  werden  kann. [...]

Damit das Wirtschaftssystem funktionieren kann, müssen  die Arbeitnehmer ihre eigenen Produktions-   und Reproduktionsbedingungen,  aber  auch  die  Bedingungen  für  das funktionieren des Wirtschaftssystems selbst einbringen, angefangen bei ihrem  Glauben  an  das  Unternehmen,  an  die  Arbeit,  an  die Notwendigkeit  der  Arbeit  usw.  All  diese  Dinge  klammern  die orthodoxen Ökonomen a priori aus ihren abstrakten und verstümmelten Berechnungen  aus  und  überlassen  so  die  Verantwortung  für  die Produktion und Reproduktion all der verborgenen ökonomischen und sozialen Voraussetzungen für das Funktionieren der Wirtschaft, wie sie sie kennen, stillschweigend den Individuen oder paradoxer Weise dem Staat, dessen Zerstörung sie im übrigen predigen."

Was aber passiert, wenn die Jugend nichts mehr zu verlieren hat, und die Angst vor der Prekarität ihre Wirkung verliert? Immer mehr junge Menschen spüren, dass der Zusammenbruch dieses Systems bevorsteht. Das Schreckgespenst der Globalisierung zieht nicht mehr so gut wie früher, wenn der nächste Schritt eine Angleichung an die Arbeitsbedingungen in Bangla Desch ist. Es gelingt daher in Griechenland oder Spanien nicht mehr, das Aufbegehren zu unterbinden. Die einzige Antwort der Geldeliten darauf bisher, ist die direkte oder indirekte autoritäre Machtausübung. Das Beispiel Griechenland ist gewiss nicht das erste und wird nicht das letzte bleiben.

Dieses System zerstört nicht nur die Umwelt, das soziale Gefüge und die Demokratie, es nimmt sich auch das Mittel seiner eigenen hegemonialen Dominanz. Wenn auf der einen Seite die Angst vor der Prekarität angesichts der Auswegslosigkeit nicht mehr zieht und auf der anderen Seite die Zurückhaltung gegenüber der autoritären Machtausübung schwindet, dann droht der gewaltsame Konflikt und die Radikalisierung.

Diese wenigen, harmlos erscheinenden Sätze von Herrn Lutz weisen daher den Weg in einen gewaltsamen Konflikt der Generationen um die Zukunft.

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