Montag, 13. Februar 2012

Die Anthropologie der Krise

Was können uns die Anthropologen über die Krise sagen, was vorher kein anderer geäussert hat? Darum geht es in dem Blog von Paul Jorion.

Paul Jorion hat unter anderem eine neue (anthropologische) Preistheorie geschaffen und hat eine wöchentliche Kolumne in "Le Monde". Er stellt hier in seinem Blog die These auf, dass der "Klassenkampf" in den 70ern mit der Einführung der "Stock Options" endgültig zu Gunsten des Kapitals entschieden wurde (Kapital = "Das Geld das man nicht hat aber dennoch braucht").

Die Kapitalkonzentration erreichte zu dieser Zeit ein so großes Ausmaß, dass der Zinsanteil der Produkte für die Wirtschaft ein Bürde wurde und die Reichtumskonzentration von nun an in der Historie ungekannte Ausmaße annehmen konnte.

Aktuell fordert er die Neuordnung des Kapitalismus.

"More than three years have passed since the Toulon address and, apart from rather disorganized anti-capitalist protests in various parts of the world, individual initiatives aimed at restructuring capitalism have proved inadequate.

Valuable time has thus been lost, but it is not too late, the problems with which we are faced, and which have become more serious everywhere, having become clearer in consequence of this.

Let us demand that the powers that be immediately engage in a debate on the restructuring of capitalism and that unchallengeable authorities on financial, economic and moral questions be brought together (rather than economic and financial ‘experts’ who are associated with an accumulation of embarrassing failures) and that they be given the task of drawing up a schedule for this (addressing structural and institutional questions, of course, as distinct from short-term tactics aimed at nothing more than gaining time in the face of a collapse which has become unavoidable)."
Die Nachdenkseiten veröffentlichten heute eine Übersetzung seiner Kolumne in der Monde.

Daraus:

"Die Disparitäten bei der Einkommens- und Vermögensverteilung sollten nicht als simpel-kuriose Nebensächlichkeit abgetan werden. Die exzessive Konzentration des Reichtums kann Wirtschaftskreisläufe über zwei kombinierte Effekte ins Stocken bis zum Stillstand bringen.

Einerseits zwingt sinkende Kaufkraft den Großteil der Bevölkerung zu vermehrtem Rückgriff auf Kredite. Das bringt für den Finanzsektor ein erhöhtes Insolvenz-Risiko und schwächt ihn im Zeitablauf.

Andererseits werden die in der obersten Etage der Sozialpyramide angesammelten Kapitalsummen mangels realer Investitions-möglichkeiten in spekulative Aktivitäten platziert, wodurch marktwirtschaftliche Preisbildungsmechanismen durcheinander gebracht bzw. außer Kraft gesetzt werden.
Schlussfolgerung:
Solange der in Gang befindliche Reichtumskonzentrationsprozess nicht umgekehrt wird, kann der Wirtschaftsmotor nicht wirklich wieder in Gang kommen. Daher ist eine Einkommens-Disparitäten weiter verstärkende Austeritätspolitik die schlechteste aller möglichen Politikvarianten!"
Seinen englischsprachigen Blog wird man ab heute auch meiner Linkliste finden können.

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank fuer diesen Hinweis! Man kann meiner Meinung nach die verheerende Wirkung der Konzentrationsprozesse nicht hoch genug einschaetzen. Wenn ich Begriffe wie Weltwirtschaftsregierung oder aehnliches als Loesungsvorschlaege fuer die Krise hoere, dann laeuft es mir eiskalt den Ruecken herunter. Das Gegenteil, dezentrale Strukturen sind notwendig, um die Kenntnisse ueber die Probleme und praktikable Loesungen, die vor Ort maximal sein duerften wieder mit den Mitteln, die man zur Umsetzung solcher Loesungen benoetigt in Deckung zu bringen. Denn man kann die Krise und ihre nicht stattfindende Loesung auch dadurch erklaeren, dass die Mittel von den Kenntnissen/Faehigkeiten durch diese Konzentrationsprozesse radikal getrennt wurden.

    Viele Gruesse
    Georg Trappe

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    1. "Denn man kann die Krise und ihre nicht stattfindende Loesung auch dadurch erklaeren, dass die Mittel von den Kenntnissen/Faehigkeiten durch diese Konzentrationsprozesse radikal getrennt wurden."

      Das ist ein sehr schöner Satz.

      Klingt ähnlich nach wie:
      "“Capital” – being money you don’t have but still need – kept concentrating in fewer and deepening pockets. The more capital is concentrated the less likely it is though that it happens to be where it is actually needed."

      Das ist die Fundamentalkritik am unbegrenzten Eigentumsrecht.

      Es ist eben nicht Kommunismus die Anhäufung von Vermögen zu begrenzen!

      Es ist keine Abschaffung des Grundrechts auf Eigentum.

      Wir begrenzen alle Grundrechte. Das Recht auf Freiheit gilt nur so lange die Freiheit anderer nicht gefährdet ist.

      Das Recht auf Religionsfreiheit wird von unserer Verfassung Geschützt, aber wir haben das Recht zu definieren was Religion ist und Sekten wie die Scientology können keine Religion wenn sie eine Faschistoide Weltherrschaft anstreben.

      Als Wehrpflichtiger wurde ich wesentlicher Grundrechte beraubt ohne, dass dafür eine schlüssige Begründung vorlag.

      Ein AG2 Empfänger wird ebenfalls um das Recht auf freie Berufswahl, die Reisefreiheit usw. gebracht ohne, dass Faschismus unterstellt wird, andererseits wird jeder der für die Einschränkung von Eigentumsrechten ist als Kommunist dargestellt..

      Wir begrenzen die Meinungsfreiheit wenn Sie Volksverhetzend Ist, genau wie Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, Berufsfreiheit, Briefgeheimnis und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (bei unseren Soldaten).

      All diese Grundrechte werden dem Gemeinwohl geopfert, doch das unbegrenzte Recht auf Eigentum, bleibt unangetastet.

      Dabei ist die Begrenzung des Eigentumsrechts ganz einfach die einzige Lösung für den inherenten Systemfehler des Kapitalismus.

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